Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar '20 - Hochrhein-Bodensee

7 1 | 2020 IHK Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten E s ist eine Atempause vor allem für die Tuttlinger Medizintech- nikunternehmen“, sagt Meinrad Kempf von der Medical Moun- tains GmbH über die Entscheidung des EU-Ausschusses vom 3. Dezember. Die Clusterorganisation, an der die IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg die Mehrheit hält, hatte zusammen mit anderen Branchenverbänden und auch Politikern aus der Region auf diese Fristverlängerung hingewirkt. Auch viele Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen werden aufgeatmet haben. Denn nach dem derzeitigen Stand wäre eine ausreichende Versorgung der Kli- niken im Land mit wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten wie Scheren oder Klemmen ab dem 26. Mai nicht sichergestellt gewesen. Ab dann müssen all diese Produkte von einer sogenannten Benannten Stelle zertifiziert worden sein, bevor sie auf den Markt gebracht werden dürfen (siehe Kasten „Hintergrund“ nächste Seite). Von diesen waren aber Anfang Dezember bei weitem noch nicht genügend für die Medizinprodukteverordnung (MDR) zugelassen, sodass wiederum alle nötigen Zulassungen bis Ende Mai gar nicht auf den Weg gebracht hätten werden können. Viele Unternehmen, die wiederverwendbare chirurgische Instrumente produzieren, mussten daher befürchten, diese ab dem 26. Mai nicht mehr ausliefern zu dürfen und bangten daher um ihre Existenz. Einige tun dies allerdings nach wie vor. Andere sind gut vorbereitet. Wer Medizinprodukte auf den Markt bringt, musste diese schon immer mit dem CE-Kennzeichen zertifizieren lassen und auch di- verse andere Anforderungen erfüllen. Wie hoch diese jeweils waren oder sind, hängt unter anderem davon ab, ob das Produkt wie eine Lesebrille oder ein Pflaster äußerlich, oder wie ein neues Hüftgelenk im Menschen verwendet wird. In der Medizinprodukteverordnung (MDR) wurde unter anderem der Dokumentationsaufwand für die Herstellung aller Medizinprodukte erhöht, die Unternehmen müssen beispielsweise ihre Prozesse und Verfahren genau beschreiben. Das gilt auch für Produkte, die bereits seit Jahren oder Jahrzehnten auf dem Markt sind. Für manche von ihnen werden nun klinische Bewertungen verlangt, was aufwendig sowie teuer ist und sich zum Teil für die Unternehmen nicht lohnt, wenn es sich um Produkte für seltene Krankheiten handelt, die folglich nur wenig nachgefragt werden. Viele Unternehmen müssen nun außerdem eine sogenannte Qualifizierte Person benennen oder einstellen, die über spezielle Fachkenntnisse verfügt und auf dem Markt nicht so leicht zu finden ist. Diese Person ist in etwa mit dem Datenschutzbeauftragten ver- gleichbar, der vor rund eineinhalb Jahren für viele Firmen mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) Pflicht wurde. Die MDR insgesamt ist mit der DS-GVO vergleichbar, mit dem Unterschied, dass sie nur für eine Branche gilt. Die Medizinprodukteverordnung, die ab 26. Mai gilt, stellt Medizintechnikunternehmen vor bürokratische und finanzielle Herausforderun- gen. Hersteller von wiederverwendbaren chirur- gischen Instrumenten mussten sogar befürchten, manche oder alle ihrer Produkte dann nicht mehr vertreiben zu können. Sie hätten neue Zertifikate gebraucht, die bis dahin aber gar nicht für alle Produkte ausgestellt werden können. Nun ist eine Übergangsfrist beschlossen worden. Firmen Bild: Intpro „

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