Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar '20 - Hochrhein-Bodensee

39 1 | 2020 IHK Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Gut 60 Prozent der Proben stammen von Kunden aus Deutschland, gefolgt vom restlichen Europa sowie dem Mittleren Osten und Asien. Entstanden ist das Unternehmen im Jahr 2008 als Spin-off der Konstanzer GATC Biotech AG, eine auf DNA-Sequenzierungen für Hochschulen und Pharmaun- ternehmen spezialisierte ehemalige Ausgründung aus der Universität Konstanz mit rund 100 Mitarbeitern. Ziel von „LifeCode“, wie das Unternehmen bei der Gründung hieß, war es, inter- essierten Personen genetische Infor- mationen bezüglich möglicher Krankhei- ten zur Verfügung zu stellen. Anders als in den USA, wo das sogenannte Consumer Genomics verbreitet ist, stießen die Wissenschaftler hier auf wenig Resonanz. Daher sattelte das Unternehmen um: Nachdem Ende 2008 zwei Forschergruppen in Hongkong und in den USA unabhängig voneinander nachgewiesen hatten, dass Trisomie 21 der Embryos mit neuartigen Sequzen- ziergeräten im Mutterblut nachgewiesen werden kann, machte sich das Unternehmen in Kooperation mit der GATC daran, solche Tests zu entwickeln. 2010 wurde „LifeCode“ zu „LifeCodexx“. Michael Lutz, promovier- ter Chemiker und bis Oktober Geschäftsführer, sowie zwei Mitarbeiter führten zusammen mit GATC klinische Studien durch. Anfang 2012 brachte „LifeCodexx“ als erstes europäisches Unternehmen einen nicht inva- siven Pränataltest auf den Markt, den „PraenaTest“. „Vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden wir von sehr viel Medieninteresse begleitet. Und auch von Kritik“, berichtet Michael Lutz. Beides begleitet das Unternehmen seitdem. Kritiker werfen diesem und anderen Anbietern, die es inzwi- schen auch in Deutschland gibt, vor, sie würden die Selektion von Menschen fördern und Abtreibungen von Embryos mit Trisomie 21 erleichtern. Michael Lutz hält dem entgegen: „Unser Antrieb ist, das, was in der Prä- nataldiagnostik seit über 25 Jahren üblich ist, in einem für Mutter und Kind sicheren Verfahren anzubieten.“ Er spielt dabei auf die Fruchtwasseruntersuchung und die Biopsie der Plazenta an, die die gesetzlichen Krankenkassen in bestimmten Fällen zahlen und mit der Trisomie 21 ebenfalls festgestellt werden kann, die aber im Gegensatz zum „PraenaTest“ invasiv sind und das Risiko einer Fehlgeburt bergen. Heinz Oehl, promovierter Mediziner und seit Oktober Geschäfts- führer, sagt: „Die bisherigen Methoden haben auch zu einer Entscheidung geführt, aber bei einem deutlich höheren Risiko.“ Mit dem „PraenaTest“ können die Trisomien 13, 18 und 21 sowie viele weitere chromosomale Veränderungen festgestellt werden. Der nach und nach erweiterte Test kostete zu Beginn rund 1.200 Euro. Dies zahlten die Schwangeren selbst oder in bestimmten Fällen ihre Krankenkassen. Seit der Einführung eines schnelleren Verfahrens im Jahr 2016 gibt es den Trisomie-21-Test für 129 Euro. Im September hat der Gemeinsame Bun- desausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Ge- sundheitswesen, entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen den nicht invasiven Pränataltest zur Bestimmung der Trisomien 13, 18 und 21 Frauen mit Risikoschwangerschaft in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung als Regelleistung bezahlen. Michael Lutz rechnet damit, dass der Beschluss Ende 2020 umgesetzt wird. In der Schweiz ist das bereits seit 2015 der Fall, dort habe das Unternehmen, so wie auch in Deutschland, den Prozess mit angestoßen, sagt Michael Lutz. Ziel sei es seitdem gewesen, dies auch hier zu erreichen. Die Folgen für die Konstanzer: „Wir erwarten für 2021 ein massives Wachstum des Marktes“, sagt Heinz Oehl. „Wir denken, dass wir in Deutschland die Nase vorn haben werden, da wir dank unseres neuesten Verfah- rens in Deutschland Preisführer sind.“ Er geht davon aus, dass die Umsät- ze weiter zweistellig wachsen werden – so, wie sie das seit 2012 bereits tun. Außerdem plant Oehl, weitere Standorte aufzubau- en. Bislang werden die „PraenaTests“ von Schwangeren weltweit alle in Konstanz durch- geführt. Am Firmensitz im Stromeyersdorf verfügt das Unter- nehmen über etwa 500 Quadratmeter Laborfläche und etwa ebenso viel Platz für die Verwaltung. Rund 50 Mitarbeiter sind beschäftigt, die meisten von ihnen im Labor sowie in Forschung und Entwicklung. Seit 2018 gehört „LifeCodexx“ - so wie auch die Firmen- mutter GATC - zu Eurofins, einem weltweiten Verbund von 800 Laboren mit Zentrale in Brüssel, insgesamt rund 45.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 3,7 Milliarden Dollar (2018). Das von „LifeCodexx“ ent- wickelte Verfahren wird nun auch in anderen Laboren des Verbunds unter anderem Namen angewendet. Die Konstanzer haben indes einen weiteren Pränataltest für Schwangere mit negativem Rhesusfaktor auf den Markt gebracht. Außerdem vertreiben sie den Test eines Spin- offs der Uni Kiel zur Früherkennung von Osteoporose bei Frauen. mae »Wir erwarten ein massives Wachstum des Marktes« Laborleiter Stephan Busche (links) im Gespräch mit Geschäftsführer Heinz Oehl (Mitte) und dessen Vorgänger Michael Lutz.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5