Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November '19 -Südlicher Oberrhein

11 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 51 Themen & Trends Hersteller von Schwarzwälder Schinken sind zufrieden „Ehrlich“ verkauft sich gut S eine Position als meistverkaufter Rohschinken in Deutsch- land habe der Schwarzwälder Schinken im Jahr 2018 festigen können, so berichtete Hans Schnekenburger, der Vorstands- vorsitzende des Verbandes und Inhaber der Firma Tannenhof in Niedereschach, anlässlich eines Pressegesprächs im Spätsommer. „Schinken ist ein ehrliches Produkt“, betonte er, man sehe, was man kauft, etwa im Unterschied zu Wurst. Allerdings sieht sich die Branche einem weiter rückläufigen Fleisch- konsum in Deutschland (60 Kilogramm pro Person im Jahr 2018 im Vergleich zu 64 Kilogramm im Jahr 2009) gegenüber, und die Rohstoffpreise haben allein seit dem Frühjahr 2019 um weit über 30 Prozent zugenommen, was bislang kaum in Preiserhöhungen weitergegeben werden konnte. Andreas Göhring (Schwarzwaldhof in Blumberg), Vorstandsmitglied des Verbands, verwies zudem auf die „Sandwichrolle“, die die Branchenmitglieder zwischen dem starken Einzelhandel und dem faktisch bestehenden Oligopol der fünf großen, meist in Norddeutschland angesiedelten Fleischhändler spielen. Über diese Händler beziehen die Schwarzwälder Firmen den Großteil ihrer Rohware. Die elf Einzel- und drei Kollektivmitglieder (Fleischerin- nungen mit zusammen 250 Metzgereibetrieben) des Schutzverbandes nehmen jedoch eine gute Marktpo- sition ein. Die Markenpräsenz im Lebensmittelhandel liegt bei nahezu 100 Prozent - dieser ist mit 85 Prozent des Absatzes der Hauptvertriebskanal der Hersteller, gefolgt vom Fachhandel (zehn Prozent) und der Gas- tronomie (fünf Prozent). Die starke Verankerung der großen deutschen Lebensmittelhändler im EU-Ausland, beispielsweise in Frankreich, Benelux und Osteuropa, sowie die Präsenz des Produktes aus dem Schwarz- wald in den dortigen Regalen führen zusätzlich zu einer Absicherung des Absatzes. Der Exportanteil am Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 25 Prozent. Insgesamt haben die Mitglie- der des Schutzverbandes 450 Millionen Euro Umsatz erzielt und beschäftigten rund 1.500 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr wur- den 9,4 Millionen Hinterschinken abgesetzt, etwa gleich viele wie 2017. Die Schinken haben beim Einkauf ein Gewicht von circa elf Kilogramm pro Stück, das dann im Verarbeitungsprozess wegen Feuchtigkeitsverlust und Knochenentfernung auf unter sieben Kilo absinkt. Sie unterliegen schon beim Wareneinkauf einer strengen Kontrolle, werden auf Temperatur, Frische, Farbe, Fettanteil und pH-Wert kontrolliert. In den Betrieben erfolgt dann, so Schne- kenburger, ein striktes Qualitätsmanagement über die gesamte Produktionszeit, ergänzt von externen Untersuchungen, beispiels- weise durch die Firma Fresenius, und staatlichen Kontrollen durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Schnekenburger zeichnete die Geschichte des Schwarzwälder Schutzverbandes (er wurde 30 Jahre alt) und seines wesentlichen Erfolges nach. Das war die Erlangung des EU-Schutzes „geschützte geografische Angabe ggA“ im Jahr 1997. Bis dahin konnte jeder den Begriff „Schwarzwälder“ für seine Schinken verwenden, etwa „Schinken nach Schwarzwälder Art“, „Schwarzwälder Landschin- ken“ oder „Schwarzwälder Kochschinken“. Im EU-Schutz ist sehr genau beschrieben, wie der Produktionsprozess zu erfolgen hat und in welcher Region „Schwarzwälder Schinken“ produziert wer- den muss. Geografisch ist dies festgelegt zwischen dem Hochrhein im Süden, der B3 im Westen, der A81 (inklusive Albstadt) im Osten und der A8 im Norden. Die Produktion umfasst mehrere Schritte. Zunächst erfolgt das Einreiben mit Salz und Gewürzen wie zum Beispiel Knoblauch, Pfeffer, Koriander und Wacholderbeeren. Dann beginnt der Prozess des Pökelns, wobei die Schinken in große Behälter gelegt werden. Das Salz entzieht ihnen die Feuchtigkeit, und es bildet sich eine Mutterlake, in der die Schinken etwa fünf Wochen ruhen. Das folgende mehrtägige Brennen in speziellen Brennräumen entzieht dem Schinken weiter Feuchtigkeit und be- reitet ihn auf das Räuchern vor. Dies erfolgt traditionell im sogenannten Kaltrauch über Tannen- und Fichtenholz sowie Reisig dieser Bäume. In hohen Türmen hängen die Schinken dabei über den Feuerstellen und trocknen bei ständigem Räuchern bis zu zwei Wochen ab. Nach dem Räuchern reifen sie in klimatisierten Räumen mehrere Wochen weiter. Nach gut drei Monaten sind die Schin- ken fertig und können geschnitten oder in Stücken ver- kauft werden. Dieses Herstellungsverfahren ist für alle Hersteller, die das ggA-Siegel tragen, festgeschrieben. Darüber hinaus kennzeichnet der Schutzverband die Packung mit einem eigenen Gütesiegel. Das EU-Siegel hat dem Verband ein scharfes juristisches Schwert gegenüber Plagiaten sowie anderen Missbräuchen an die Hand gegeben, und es ist, so Schnekenburger, die „Lebensversicherung“ der Mitglieder. Sehr wesentlich ist, dass das Siegel nicht die geografische Her- kunft der Schweine, die mit ihren Hinterschinken die Basis des Produktes bilden, festschreibt. Es wäre auch kaum vorstellbar, dass pro Jahr im Schwarzwald vier bis fünf Millionen Schweine großgezogen werden. Immerhin 15 Prozent der Tiere stammen aus dem Schwarzwald, der weit überwiegende Teil aber aus an- deren Gebieten Deutschlands, vor allem aus der norddeutschen Tiefebene, zehn Prozent kommen aus dem Ausland. Die jüngsten Marketingaktionen des Schutzverbandes richten sich laut Vorstandsmitglied Marie-Luise Adler von der Firma Ad- ler in Bonndorf verstärkt an ein jugendliches Publikum, so zwei neue Videos, die über die sozialen Medien gehen, sowie der Schwarzwälder Schinkenlauf, der im Spätsommer zum sechsten Mal stattgefunden hat. Ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird das Produkt darüber hinaus im Schwarzwälder Schinkenmuseum, das im historischen Feldbergturm eingerichtet wurde und das im vergangenen Jahr über 100.000 Besucher zählte. orn Der Vorstand des Schutzverbandes der Schwarzwälder Schinkenhersteller berichtete von einem stabilen Absatz in einem schwierigen Markt während des vergangenen Jahres. »Das ggA- Siegel ist unsere Lebens­ versicherung« Hans Schnekenburger , Vorstandsvorsitzender Schutzverband Schwarz- wälder Schinkenhersteller

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