Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November '19 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

Wirtschaft im Südwesten 11 | 2019 38 Unternehmen SPAICHINGEN. radio, Fernsehen, elektrische Instrumente und vor allem seine eigene Langlebigkeit: Das sind die hauptfeinde des klassischen Klaviers. Solange es weder radio- noch Fernseh- geräte in den haushalten gab, sorgte hausmusik für Unterhaltung, und in deren mittelpunkt stand meist ein Klavier. Ihre absolute hochzeit erlebte die Klavierindustrie deshalb um die vergangene Jahrhundertwende herum, ehe sich ab den 1920er-Jahren der rundfunk und ab den 1950er- Jahren das Fernsehen verbreiteten. In den 1970er-Jahren kamen Keyboards auf, seit den 1990ern nehmen billigere Digitalklaviere der akustischen Konkurrenz Anteile weg. Zudem drängen immer mehr asiatische hersteller mit deutlich günstigeren Preisen auf den markt. Und weil ein klassisches Klavier eigentlich nie kaputtgeht, wer- den in Deutschland mittlerweile jährlich nur noch etwa 6.000 Pianos und Flügel gebaut. Auch die weltweite Klavierproduktion, die 1980 noch bei mehr als einer million Instrumenten pro Jahr lag, ist auf rund 400.000 gesunken – obwohl sich insbesondere in Asien neue, große Absatzmärkte aufgetan haben. Diese extreme Konsolidierung haben nur wenige deut- sche Klavierhersteller überlebt. Von den einst mehreren hundert Pianofabriken hierzulande produzieren heute nur noch ein gutes Dutzend. Der Bundesverband Kla- vier zählt aktuell 13 deutsche hersteller unter seinen mitgliedern. einer davon ist in dieser region beheimatet: Die Carl Sauter Pianofortemanufaktur Gmbh & Co. KG produziert seit nunmehr 200 Jahren in der schwäbischen Kleinstadt Spaichingen im Kreis tuttlingen. Firmengrün- der Johann Grimm hatte das handwerk sechs Jahre lang in Wien bei einem renommierten Klavierbauer gelernt, ehe er 1819 in seiner heimat eine Klavierbauwerkstatt eröffnete. Weil er keine eigenen Kinder hatte, adoptierte er seinen neffen Carl Sauter, holte ihn in den Betrieb und lehrte ihn das handwerk. Ab 1846 führten vier Ge- nerationen Sauter die manufaktur fort – Carl Sauter, sein Sohn Johann, sein enkel Carl Sauter II sowie seine Urenkel hans und Carl Sauter III. 1993 musste das tradi- tionsunternehmen aus den eingangs ge- schilderten Gründen und wegen eigener Fehlentscheidungen (insbesondere einer zu teuren marketingkampagne) Insolvenz anmelden. Der Wirtschaftsingenieur Otto hott, der viele Jahre den Schwenninger Uhrenhersteller Kienzle geleitet und zu- letzt als Unternehmensberater gearbeitet hatte, erstellte ein Sanierungskonzept für die Klavierfa- brik und stieg selbst als mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer ein. Ulrich Sauter hält ein Fünftel der Anteile und führt damit in fünfter Generation die Fami- lientradition fort. Unter hotts Leitung hat sich Sauter gesundgeschrumpft, setzt nun – anders als manche Konkurrenten, die ihre Produktion nach Fernost verlagerten – auf „made in Germany“ und auf das Premiumsegment. „Wir haben innerhalb der deutschen Klavierindustrie die größte Fertigungstiefe“, sagt Produktionsleiter Stefan Schnit- zer. Gut 500 Klaviere baut Sauter jährlich, etwa zehn Prozent davon Flügel, der rest Pianos. es gibt etwa drei Dutzend modelle und fast endlos viele verschiedene Varianten wie unterschiedliche hölzer und Lacke. me- tall-, mechanik- und Klaviaturteile kaufen die Spaichinger bei ausgewählten deutschen Zulieferern. Alles andere fertigen sie selbst. In der 5.000 Quadratmeter großen Produktion im ersten Stock des Firmengebäudes am Spaichinger Ortsrand, das Sauter ende der 1970er- und 1980er-Jahre bezogen hat, arbeiten Schreiner, Lackie- rer, Polierer und natürlich Klavierbauer. hier entstehen parallel die sichtbaren teile der Pianos und Flügel, die der Klavierbauer möbelstücke nennt, und die herzen der Instrumente, die Klangkörper. In der montage kommen sie zusammen, werden mit der passenden mechanik versehen, intoniert und immer wieder gestimmt. Das dauert. Schon für ein normales Klavier rechnet Pro- duktionschef Schnitzer mit etwa 100 Arbeitsstunden im haus, für ein Design- oder ein meisterklavier mit rund 150, und für einen Flügel können bis zu 500 Stunden Ar- beit nötig sein. mitsamt trocken- und ruhezeiten braucht die Produktion zwischen sechs und zwölf monaten. ent- 200 Jahre Klavierbau: Sauter Pianofortemanufaktur Premium statt Preiskampf Die weltweit älteste noch existierende Klaviermanufaktur liegt in Spaichingen im Landkreis Tuttlingen: Seit 1819 produ- ziert die Firma Sauter Pianos und Flügel und feiert dieses Jahr ihr 200. Jubiläum. »Wir haben die größte Fertigungstiefe in der deut- schen Klavier- industrie« Stefan Schnitzer Produktionsleiter Sauter, Spaichingen

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