Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September '19 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

9 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 9 titel Alexander Gangnus spricht von einer „Atomisierung der Fälscheraktivitäten“. Der Sinologe arbeitet für die Münchner Beratungsfirma Chinabrand IP Consulting, die sich auf den Schutz geistigen Eigentums – „Intel- lectual Property“, kurz: IP – westlicher Firmen in China spezialisiert hat (siehe Kasten Seite 10). Doch auch wenn die Fälscher selbst meist in der Ferne operieren: Manch ein Auftraggeber und vor allem viele Abnehmer der Plagiate sitzen in den westlichen Indus- trieländern. Produkt- und Markenpiraterie wird von den Verbrauchern gestärkt, meint Klaus Hoffmeister, Leiter der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz des Zolls (ZGR) in München. „Fälschen gilt immer noch als Kavaliersdelikt“, bemängelt er. Dabei gehe es häufig sehr wohl um Sicherheit und Gesundheit. Hoffmeis- ter berichtet beispielsweise von 300.000 gefälsch- ten Autoersatzteilen, die seine Kollegen vergangenes Jahr aus dem Verkehr gezogen haben. Eine Menge der aufgegriffenen Waren stuft der Zoll als potenziell gesundheitsgefährdend ein. Das gilt beispielsweise für gefälschte Körperpflege und Medikamente, aber auch für Strahlregler von Neoperl und die Armaturen von Hansgrohe (siehe unten), die mit Trinkwasser in Berührung kommen. Milliarden Waren kommen auf unterschiedlichen We- gen nach Deutschland, entsprechend vielfältig sieht die Arbeit des Zolls aus. „Wir hängen unsere Nase gerne überall rein“, sagt Hoffmeister. Abgefertigt wird längst nicht mehr nur an der Grenze, sondern bei der Post, in Häfen, bei Binnenzollämtern. Es heißt auch nicht mehr „Grenzbeschlagnahme“, sondern „sogenannte Grenz- beschlagnahme“. Entscheidend ist: Um überhaupt tätig werden zu können, braucht der Zoll einen Antrag des Originalherstellers. Und die Basis dafür sind wiederum die gewerblichen Schutzrechte (siehe Kasten rechts). M it Schutzrechten kennt Carmen Vetter sich aus. Die Ingenieurin leitet die gleichnamige Abteilung von Hansgrohe am Hauptsitz in Schiltach. Bei dem Schwarzwälder Armaturenherstel- ler (fünf Produktionsstandorte, rund 4.700 Mitarbeiter, »Fälschen gilt immer noch als Kavaliersdelikt« Klaus Hoffmeister Leiter der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz des Zolls, München GEWERBLICHE SCHUTZRECHTE Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) erteilt folgende gewerbliche Schutzrechte: Patente schützen technische Erfindungen – Ge- genstände oderVerfahren –, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Rechtsgrundlage ist das Patent- gesetz (PagG), die Eintragung erfolgt beim DPMA, die maximale Schutzdauer beträgt 20 Jahre. Gebrauchsmuster sind auch technische Schutz- rechte für Erfindungen, eineArt „kleines Patent“ – schneller, einfacher und preiswerter als Paten- te. Sie sind insbesondere für Verbesserungserfin- dungen gedacht. Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt zunächst drei, maximal zehn Jahre. Marken schützen grafisch darstellbare Zeichen und Bezeichnungen, umWaren oder Dienstleis- tungen zu unterscheiden. Es gibt Wortmarken (Buchstaben, Zahlen, Wörter, Sätze), Bildmar- ken (Abbildungen), Wortbildmarken (Logos, Kombination von Wort und Bild), Farbmarken (Formen, Verpackungen, Farbzusammenstel- lung), Hörmarken (Jingles oder Tonabfolgen) sowie Bewegungsmarken (Bildabfolgen). Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt zunächst zehn Jahre, sie ist unbegrenzt verlängerbar („ewiges Schutzrecht“). Designs (vormals Geschmacksmuster) schützen die sichtbare äußere Form, Farbe und das De- sign eines Produkts. Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt maximal 25 Jahre. Die nationalen Schutzrechte können sich expor- tierende Unternehmen auch international sichern lassen, wobei es nicht überall die gleichen gibt. Der Originalduschkopf „Croma Select S Multi“ von Hansgrohe (links) und die beiden Fälschungen, die vom Negativpreis Plagiarius eine Auszeich- nung erhalten haben. Ansprechpartner bei den IHKs: Hochrhein-Bodensee: Susanne Tempelmeyer-Vetter 07531 2860-126 susanne.tempelmeyer-vetter@konstanz.ihk.de Schwarzwald-Baar-Heuberg: Rebecca Wetzel 07721 922-181 wetzel@vs.ihk.de Südlicher Oberrhein: Philipp Klemenz 0761 3858-269 philipp.klemenz@freiburg.ihk.de

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