Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juni'19 - Hochrhein-Bodensee

6 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 53 C hristoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirt- schaftsverbands industrieller Unternehmen Ba- den (WVIB), sein Kollege Gerrit Christoph, beim WVIB zuständig für Technologie und Automotiveindustrie, Jürgen Trefzer, Geschäftsführer des Automobilzulieferers A. Raymond in Lörrach, sowie Bernd Schilling, Vorstand der IMS Gear in Donaueschingen (ebenfalls Automobil- zulieferer), stellten die Studie bei einem Pressegespräch vor. Die Studie fasst die wesentlichen, seit geraumer Zeit diskutierten Einzelheiten des Wandels zusammen. Das ist zum einen der Wechsel des Antriebsstrangs vom erdölbasierten Verbrennungsmotor hin zu alternativen, vor allem elektrischen Antrieben, der zu gravierenden Verlagerungen der Wertschöpfungsketten führen wird. Dies nicht nur zwischen Branchen, sondern auch zwi- schen globalen Wirtschaftsräumen. Zum zweiten wird die Automatisierung und Vernetzung der Fahrzeuge zu einem Bedeutungsverlust des eigentlichen Kernprodukts Automobil hin zu digitalisierten Fahrzeugsystemen und Dienstleistungen führen. Diese Produkte werden oft nicht von der Fahrzeugindustrie selbst entwickelt, son- dern gehen an Neuwettbewerber verloren. Und zum drit- ten wird die Digitalisierung der Gesellschaft wahrschein- lich das Auto im Privatbesitz weniger wichtig machen und hin zu neuen Mobilitätsdienstleistungen führen: Die Beförderung steht im Zentrum der Mobilitätsnachfrage. Vor diesen Hintergründen sind politische Eingriffe vieler- orts in der Diskussion, von regionalen Einschränkungen bis hin zu nationalen Zulassungsverboten für Verbren- nungsmotoren. Allerdings, das hob Münzer hervor, der- zeit ist der Verbrennungsmotor noch nirgends verboten. Eine Studie der Prognos AG im Auftrag des WVIB* zeigt, wie regulatorische Eingriffe, Zulassungsverbote oder Marktzugangs- hemmnisse die Marktsituationen in den zehn wichtigsten Auto- motivemärkten weltweit beeinflussen. Grund für die Studie: Von circa 1.000 WVIB-Unternehmen ist fast ein Drittel (mit 115.000 Mitarbeitern und 18 Milliarden Euro Umsatz) im Automotivebe- reich tätig. Und alle stehen vor der Herausforderung, sich einem im Wandel begriffenen internationalen Marktumfeld anzupassen. Internationale Automotivestudie des WVIB Verbrenner noch nirgends verboten »Am hem- mendsten für die Käufer ist die Unsicher- heit« Jürgen Trefzer , Geschäftsführer von A. Raymond Aber zwischen 2020 und 2040 können viele Verbote anstehen. Dabei stehen nicht nur klimapolitische Überle- gungen im Vordergrund, sondern auch wirtschaftliche In- teressen. Technische Standards stellen nach der Studie so gut wie keine Handelshemmnisse dar, wohl aber Zölle und Herkunfstregelungen gerade in den größten Absatz- märkten China und den USA, die wie Damoklesschwer- ter über der deutschen Automobilindustrie schweben. Klimapolitische Regularien wie Emissionsgrenzwerte, Kaufanreize für alternative oder Restriktionen konventi- oneller Antriebe sind weit verbreitete Instrumente, die sich je nach Land deutlich unterscheiden können. Dass ein Strategiewechsel für Zulieferer alternativlos ist, steht laut Studie außer Frage. Sie fasst Ländersteckbriefe und Tabellen zu Regulierungsvorhaben zusammen und gibt ein umfassendes Bild über Wie und Wann der Ver- änderung. Jürgen Trefzer von A. Raymond führte aus, dass alle großen Automobilzulieferer sich intensiv mit dem The- ma beschäftigen und den E-Mobiltrend nicht verschla- fen haben. Die Diskussion sei politisch orientiert, nicht an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Beispiel dafür seien die Dieselfahrverbote. Am hemmendsten sei für die Käufer die Unsicherheit, was man kaufen sol- le. Daraus zögen viele den Schluss, dass man gar nicht kauft. Dies sei die Hauptursache für die derzeitige Kon- junkturdelle in der Automotiveindustrie. Bei A. Raymond führe dies zu einer Produktionsdrosselung von acht bis neun Prozent. Bernd Schilling von IMS Gear mein- te, das Auto werde ein Megatrend bleiben mit circa 100 Millionen pro Jahr verkauften „light vehicles“ auf der Welt. Allerdings werde die Mobilität je nach Land oder auch Region anders sein als überregional. Das Problem beziehungsweise das Risiko derzeit: die Unsicherheit, was wann in welchen Mengen verlangt werden wird. Daraus ergeben sich auch höhere Risiken bei Eigenentwicklungen. Christoph Münzer schließ- lich betonte, politische Regelungen dürften den Fort- schritt nicht durch einseitige Verbote ausschließen. Die Politik habe noch nie gewusst, was richtig sei, der Markt solle es richten. Die Industrie müsste in alle Richtungen gehen können, derzeit gebe es noch keine umfassende Lösung. upl * Der WVIB hat die Studie gemeinsam mit der Commercial Vehicle Cluster Nutzfahrzeuge GmbH und der Wirtschaftsförde- rung Raum Heilbronn GmbH in Auftrag gegeben. Bild: Dr. N. Lange - Fotolia

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