Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'19 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

4 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 7 TITEL Gastronomie Rezepte für den Erfolg M it über 18.000 Betrieben und fast 5,5 Mil- liarden Euro Jahresumsatz ist die Gastro- nomie eine bedeutende Branche im Land. Laut Zahlen des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) für das gesamte Gast- gewerbe ist der Umsatz vergangenes Jahr um knapp ein Prozent gestiegen, die Beschäftigung erreichte mit rund 132.500 Mitarbeitern einen Rekordwert. Dennoch ist die Stimmung in der Gastronomie verhalten, das zeigten auch jüngst wieder die IHK-Konjunkturberichte. Ein Grund dafür ist, dass sich die Erträge nicht den Um- sätzen entsprechend entwickeln. Im Gegenteil: Weil die Personalkosten schneller steigen als die Produktivität, schmilzt die Marge. „Die Gastronomie ist sehr personalintensiv“, erklärt Alexander Hangleiter, Geschäftsführer der Dehoga- Geschäftsstelle in Freiburg. Durchschnittlich rund 40 Prozent der Kosten gehen für Löhne der Mitarbeiter drauf. Dazu kommen Pacht oder Miete, Nebenkosten und natürlich der Wareneinsatz. „Die Erwartungshal- tung der Gäste ist hoch, die Bereitschaft, dafür zu zah- len, aber weniger“, beobachtet Hangleiter und rechnet vor: Wenn ein Schnitzel auf der Karte zwölf Euro kostet, gehen davon zunächst 19 Prozent Mehrwertsteuer ab, denn für Mahlzeiten in Gasthäusern gilt – anders als etwa für Tierfutter, Tiefkühlpizza und Speisen zum Mitnehmen – der volle Satz. Eine Regelung, die der Dehoga seit Langem bemängelt. Von den knapp zehn Euro, die dem Wirt netto bleiben, muss er all seine Kosten bestreiten. Da bleibt am Ende zu wenig hängen, um zu renovieren, zu dekorieren, attraktiv für die Gäste zu sein – und für Mitarbeiter. In kaum einer anderen Branchen drückt der Mangel an Fachkräften so massiv wie in der Gastronomie. Seit drei Jahren sinken die Zahlen der neu abgeschlosse- nen Ausbildungsverträge für Köche, Restaurant- und Hotelfachleute, berichten die Ausbildungsberater der IHKs. „Seit der Nachwuchsmangel auch in den ande- ren Branchen angekommen ist, fällt die Gastronomie als Alternative weg“, erklärt Anette Stetter von der IHK Südlicher Oberrhein den Einbruch. Die Zahl der Schulabgänger sinkt, die der Gymnasiasten steigt – das macht es der Gastronomie, die bislang vor allem Haupt- und Realschüler rekrutierte, nicht leichter. Deshalb ist die Branche besonders eifrig dabei, Flüchtlinge auszu- bildenden. Und viele bemühen sich, auch für Abiturien- ten attraktiv zu sein. Die IHKs bieten beispielsweise ein Abiturientenmodell als Zusatzqualifikation. Außerdem gibt es Anreize wie einen Weinwettbewerb oder die Möglichkeit, einige Monate der Ausbildung bei einem Partnerbetrieb im Ausland zu verbringen. Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel stehen auch immer die Arbeitszeiten im Fokus. „Das ist ein Riesenthema“, sagt Alexander Hangleiter. Einerseits fordert der Dehoga mehr Flexibilität und setzt sich für eine Wochenarbeitszeit ein. Andererseits versuchen viele Betriebe, sich den Wünschen der Mitarbeiter an- zunähern. Das heißt vor allem: weniger Teildienste und mehr freie Tage. Folglich schafft manch ein Restaurant seinen Mittagstisch ab, weil der sich ohnehin nicht immer rechnet, oder schließt sonntagabends, wenn oft nur an einem Stammtisch Karten gespielt wird. Eine wichtige Stellschraube in der Gastronomie ist zu- dem die Wareneinsatzquote. Diese Prozentzahl zeigt: Was kaufe ich ein, und was bekomme ich netto dafür? Bei Häusern, die auf Regionalität setzen, Getränke und Speisen bei lokalen Lieferanten beziehen, ist die Wa- reneinsatzquote oft wesentlich niedriger, also besser, berichtet Dieter Ludin, öffentlich bestellter Sachver- ständiger für Hotel- und Gaststättenbetriebe. Diese Betriebe könnten höhere Preise realisieren, weil der Gast bei guter Leistung einen guten Preis zahle. Das gilt laut Ludin für Restaurants, die mit dem Bib Gourmand ausgezeichnet sind, gleichermaßen wie für die Sterne- gastronomie. Eine hohe Wareneinsatzquote sieht der Sachverständige dagegen oft bei Betrieben, die sich nicht verändern, alles so machen, wie sie es immer schon getan haben. Solche Häuser tun sich häufig besonders schwer, einen Nachfolger zu finden. Gerade in ländlichen Regionen schließen deshalb Gasthöfe, beobachtet Anette Stetter. D en Widrigkeiten der Branche trotzen viele Wirte mit hohem persönlichen und finanziellen En- gagement, gerade in dieser Region. Das zeigt die stattliche Zahl an Sternehäusern zwischen Rhein, Schwarzwald und Bodensee, die der Guide Michelin auch 2019 wieder ausgezeichnet hat (siehe Kasten Seite 10). Viele von ihnen kochen schon seit Jahren oder sogar Die aktuellen Geschäftszahlen sind meist gut, die Sorgen vor dem Morgen aber oft groß. Die Gastronomie leidet besonders unter Fachkräftemangel und Preisdruck. Wie Rezepte dagegen aussehen können, zeigen beispielsweise Restaurants, die mit dem Bib Gourmand des renommierten Gastronomieführers Michelin ausgezeichnet wurden. »Bei Häusern, die auf Regionalität setzen, ist die Wareneinsatzquote oft besser« Dieter Ludin Sachverständiger für Hotel- und Gaststättenbetriebe

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