Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'19 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

Wirtschaft im Südwesten 3 | 2019 12 LEUTE KOPF DES MONATS Helfer zur Selbsthilfe Michael Junginger | Hilzinger-Thum TUTTLINGEN. Die Gründung und Leitung von Entwicklungsprojekten in Afrika, die nach unterneh- merischen Gesichtspunkten organisiert sind, ist ein Anliegen von Michael Junginger (58), für das er viel Zeit aufwendet. Im Hauptberuf ist er Geschäftsführer der Firma C. Hilzinger-Thum, die mit 380 Mitarbeitern Schleif-, Polier- und Entgratwerkzeuge, Gummiwalzen, Kontaktscheiben sowie technische Bürsten herstellt und seit 1902 besteht. Der Jurist führt das Unter- nehmen zusammen mit Holger Hilzinger (47). Beide stammen aus Unternehmerfamilien. Junginger ist ein Enkel des Alno-Gründers Albert Nothdurft, Hilzinger ist die vierte Generation im Unternehmen. Beide sind stark im protestantischen Glauben verwurzelt und das wiederum erklärt die Engagements auf dem schwar- zen Kontinent. Bei den Projekten geht es um Hilfe zur Selbsthilfe. Sie sollen sich nach einer Anlaufzeit selbst tragen und Gewinne abwerfen, die wiederum in weitere soziale Projekte fließen können. Die Anfangsfinanzie- rungen leisten Junginger und Hilzinger aus eigenem Vermögen, beziehungsweise aus einem kleinen Teil der Gewinne von Hilzinger-Thum sowie externen Spenden. Unter dem Motto „Arbeitsplätze für Afrika“ ist wäh- rend der vergangenen Jahre ein bislang gut laufendes Projekt in Gambia, einem der kleinsten und ärms- ten Länder Afrikas, entstanden. Junginger, der hier die Federführung inne hat, kam 2012 das erste Mal nach Gambia, wo eine Freundin seiner Frau vor vielen Jahren ein Youth Hostel aufgebaut hat. Er konnte mit seinem eigenen Vorhaben auf ein gut ausgebautes Netzwerk der evangelischen Kirche Gambias (ECG) und der Organisation Weltweiter Einsatz für Christus (WEC) zurückgreifen. Sein Projekt „House of Skills“ ist eine Art Berufsschule mit Werkstätten, Wohn- und Schlafmöglichkeiten, Gästehaus, Unterrichtsräumen und Büros für junge Gambier. Diese können hier Mau- rer, Schreiner, Elektriker, Flaschner, Industrie- und Automechaniker, Maler und Bäcker sowie Indust- riekaufmann erlernen. Gelehrt und gelernt werden diese Berufe innerhalb von 24 Monaten, angelehnt an das deutsche Modell der dualen Ausbildung, also Praxis und Theorie. Die Ausbilder gehören WEC und „Christliche Fachkräfte international“ an und sind in den häufigsten Fällen junge Meister ihres Berufes. Sie stammen aus Österreich, der Schweiz sowie Deutschland und bleiben jeweils für einige Monate in Gambia. 2015 erwarb die ECG mit gespendeten Mit- teln ein 21.000 Quadratmeter großes Grundstück in Tanje in der Nähe der gambischen Hauptstadt Ban- jul und errichtete dort unter anderem eine Bäckerei. Die ist ein besonders schönes Beispiel für Jungingers Modell. Hier arbeiten inzwischen acht Auszubildende (von 24 insgesamt im „House of Skills“) und stellen hochwertige Backwaren her. Das Gebäude haben an- dere Lehrlinge, die in den Bauberufen tätig sind, mit ihren Meistern errichtet. Die Maschinen hat die Stif- tung „Brot gegen Not“ von Heiner Kamps zur Verfü- gung gestellt. Angeboten werden die Backwaren in ei- nem Verkaufswagen, wie er auch bei uns auf Märkten zum Einsatz kommt, an immer gleichen Stand- orten, beispiesweise vor Hotels, vor der VIP-Lounge am Flug- hafen oder in besseren Wohngebieten. Ren- ner sind Berliner und Croissants. Die Investition für die „Sunshine Bakery“ lag bislang bei 130.000 Euro und der Betrieb trägt sich selbst. Derzeit ist eine Kfz-Werkstatt im Aufbau. 30 Prozent der Geräte und Maschinen hat man dafür bereits, weitere Spenden und Hilfen nimmt Junginger gerne entgegen, er hofft Daimler-Benz mit ins Boot zu bekommen. Ziel ist auch hier, wie schon bei der Bäckerei: Das Kapital muss selbst erwirtschaftet wer- den. Auch kaufmännisch werden die Lehrlinge des- halb ausgebildet. Am Anfang steht für Junginger immer die Ausbildung, dann die Einrichtung von Arbeitsplätzen, die wieder- um Grundlage für profitable Unternehmen und diese ihrerseits Basis für die Realisierung weiterer Vorha- ben wie beispielsweise Kindergärten oder Schulen sind. „Hungerlöhne zahlen wir keine“, sagt Junginger. Im Gegenteil, die Entlohnung muss auskömmlich sein, um die Einheimischen im Land zu halten. Das sehen Junginger und Hilzinger als bestes Mittel, um dem Migrationsdruck nach Europa entgegenzuwirken. Mit dieser Botschaft ist Junginger auch im deutschen Ent- »Unternehmer sind oft die besseren Entwicklungshelfer«

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