Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar'19 - Südlicher Oberrhein

1 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 35 UNTERNEHMEN Pharmakonzern investiert 190 Millionen Euro in Freiburger Standort Pfizers Zukunftswerk FREIBURG. Es war ein großer Bahnhof zur offiziellen Einweihung der jüngsten Investition von Pfizer in Freiburg. Zweihundert Gäste hatte man zum Festakt geladen, Ministerpräsident Winfried Kretschmann reiste aus Stuttgart an, der deutsche Pfizer-Chef Peter Albiez von der Zentrale in Berlin, und Kevin Nepveux, Vice President der Konzern- mutter, kam sogar aus Connecticut geflogen. Dieses „Commitment“, wie der Freiburger Werksleiter Axel Glatt es nannte, zeigte die Bedeutung, die der Standort innerhalb des Konzerns hat. „Zukunftswerk“ nennt Pfi- zer seine Niederlassung in Freiburg, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung und Markt- einführung neuer fester Arzneimittel liegt. Freiburg hat sich als sogenannter Launch- Standort etabliert, an den die Produktion neuer Arzneien vergeben wird. Es ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte inner- halb des Konzerns. Pfizer fertigt hier jährlich rund fünf Milliarden Tabletten und Kapseln in 200 Millionen Verpackungen. Zudem ist Freiburg das weltweit größte Abpackwerk fester Arzneiformen. Über 200 verschiedene Medikamente, vom Schmerzmittel bis zum Krebstherapeutikum, gehen von Freiburg in mehr als 150 Länder. Die Exportquote liegt bei 95 Prozent. Mit rund tausend Mitarbeitern ist Pfizer der zweitgröß- te private Arbeitgeber der Stadt. Nur der Haufe-Verlag beschäftigt mehr Menschen. Pfizers Commitment für Freiburg wird in den Investitionszahlen deutlich: Die Ausgaben an dem größten deutschen Standort sum- mieren sich innerhalb von nur drei Jahren auf etwa 190 Millionen Euro. Jeweils etwa 40 Millionen kosteten die jetzt eingeweihte und die erste Anlage, die vor gut einem Jahr ihren Betrieb aufgenom- men hat. Eine dritte, für deren Bau Anfang November der offizielle Startschuss groß gefeiert wurde, wird wohl mit 110 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die hohen Investitionskosten liegen vor allem in den langen Entwicklungszeiten begründet. Zehn Jahre hat Pfizer al- lein an der jetzt eingeweihten Anlage getüftelt. Der Preis ist ihr nicht anzusehen, sie wirkt klein in der großen neuen Halle. Doch sie kann viel. PCMM heißt die Anlage, das steht für „Portable, continuous, miniature, modular“ und bezeichnet ein Produktionsverfahren, das mobil, kontinuierlich, mit geringen bis mittleren Produktionsmengen und modular konzipiert wurde. Auch die ein Jahr ältere und die im Bau befindliche Anlage basieren auf der sogenannten Continuous Manufacturing Technology (CMT), also der kontinuierlichen Ferti- gung. Sie ermöglicht es, einzelne Herstellungsschritte – von der Anlieferung der Rohstoffe bis zur Auslieferung des fertigen Produk- tes – ohne Unterbrechungen aneinanderzureihen. Das spart Zeit, reduziert mögliche Fehlerquellen und verbessert somit die Qualität. Der Unterschied zur herkömmlichen Herstellung von Medikamenten ist riesig. Traditionell werden Tabletten und Kapseln auf mehreren Geräten, in verschiedenen Räumen und nacheinander ablaufenden Schritten gefertigt. Das dauert. Im Gegensatz dazu produziert die PCMM-Anlage in einem komplett geschlossenen und eigenständi- gen System. Die einzelnen Schritte vom Wiegen übers Mischen und Granulieren bis zum Pressen laufen vollautomatisch und schnell ab. Was sonst Tage dauert, geschieht innerhalb weniger Minuten. Noch dazu arbeitet die Anlage stufenlos und flexibel, das heißt, es gibt keine fes- ten Chargengrößen mehr, die Produkte können schnell gewechselt werden, und auch die Herstellung kleinster Mengen lohnt sich. „Das ermöglicht uns eine völ- lig andere Agilität“, sagte Axel Glatz bei der Eröffnung. Die neue Anlage eigne sich insbesondere für hochpotente Wirkstoffe beispielsweise in der Krebstherapie und für den Zukunftsmarkt der personifizier- ten Medikamente. Ein identisches Modell steht in der Pfizer-Entwicklungszentrale in Connecticut. Dadurch entfällt das so- genannte Scale-up, also das Übertragen der Maßstäbe von der Entwicklung auf die Produktion, und neue Produkte können sofort in Freiburg hergestellt werden. Damit ist die PCMM Gegenstück und pas- sende Ergänzung zu der CMT-Anlage, die Pfizer 2017 in Betrieb genommen hat und die auf große Mengen ausgelegt ist. Die dritte Anlage, die jetzt gebaut wird, vereint Vorteile der beiden anderen. Sie soll Tabletten und Kapseln aus hochwirksa- men Wirkstoffen in größeren Maßstäben produzieren können. „Mit den neuen Anlagen bauen wir unsere technologische Vorreiterrolle in Freiburg aus“, betonte Glatz. Pfizer-Vize Kevin Nepveux bezeichnete sie als „Demonstration von Industrie 4.0“ und als Meilenstein der Pharmaproduktion. Zukunftsweisend ist nicht nur die Intelligenz der Anlagen, sondern auch ihre Nachhaltigkeit. Bei der PCMM entfällt beispielsweise die sonst bei Produktwechseln nötige Reinigung, und die Abfälle sind minimal. So beschreitet Pfizer Freiburg seinen Weg als grüner Leuchtturm innerhalb des Konzerns und der Pharmaindustrie weiter. Mehr als 200 umweltschonende Maßnahmen hat der Standort bereits umgesetzt, die benötigte Energie stammt zu über 90 Prozent aus regenerativen Quellen. Dafür sorgen unter anderem der europa- weit größte Holzpelletheizkessel sowie die geothermische Heizung und Kühlung. Die grüne Hochtechnologie gefiel dem Ministerpräsidenten. „Die Digitalisierung erlaubt es uns, etwas als und zu denken, was lange Zeit nur ein entweder-oder war“, sagte Kretschmann. „Ökonomie und Ökologie gleichermaßen wie Wettbewerb und Klimaschutz.“ kat Pfizer investiert kräftig in Freiburg: Innerhalb von drei Jahren fließen rund 190 Millionen Euro in den Standort. Damit wird die Arzneimittelproduktion automatisiert und beschleunigt. Am Startknopf der PCMM-Anlage (von links): Clemens Stief, Peter Albiez (beide Pfizer), Minister- präsident Winfried Kretschmann, Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach, Axel Glatz und Kevin Nepveux (beide Pfizer).

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