Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'18 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

Wirtschaft im Südwesten 12 | 2018 52 Praxiswissen RECHT Insolvenz in der Eigenverwaltung Haftung des Geschäftsführers verschärft D er Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer Grund- satzentscheidung (Urteil vom 26. April 2018 – IX ZR 238/17) die Haftung des Geschäftsführers in Ei- genverwaltungsverfahren verschärft. Grundsätzlich haftet ein Geschäftsführer bei eigenen Pflichtverletzungen nur gegenüber der Ge- sellschaft. Geschädigte Dritte müssen sich an die Gesellschaft selbst wenden. Denn der Geschäftsführer handelt im Namen der Gesellschaft, nicht in eigenem Namen. Ein Insolvenzverwalter dagegen haftet nach den Paragrafen 60 und 61 der Insolvenzord- nung (InsO) gegenüber allen Beteiligten des Insolvenzverfahrens, und zwar direkt und mit seinem persönlichen Vermögen. Diese verschärfte Haftung folgt aus der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Ge- sellschaft im Insolvenzverfahren. Nach der Entscheidung des BGH sind in der Eigenver- waltung einer juristischen Person die Paragrafen 60, 61 der InsO entsprechend auf die vertretungsberech- tigten Geschäftsführer anzuwenden. Denn anders als im regulären Insolvenzverfahren ist der Schuldner in der Eigenverwaltung nach den Paragrafen 270 ff. InsO selbst berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die Verwaltungs- und Verfügungs- befugnis geht also nicht auf einen Insolvenzverwalter über, sondern wird vom Geschäftsführer ausgeübt. Ihm obliegen im Rahmen der Eigenverwaltung daher nicht nur die allgemeinen organschaftlichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft, sondern er hat faktisch auch die Stellung eines Insolvenzverwalters. Der Ge- schäftsführer trifft damit in Eigenverwaltungsverfahren auch die insolvenzrechtliche Haftung gegenüber den Verfahrensbeteiligten wie ein Verwalter. Stefan Lammel, Friedrich Graf von Westphalen & Partner Neue Musterfeststellungsklage zur Stärkung von Verbraucherrechten Ansprüche hängen vom Einzelfall ab I m gesetzgeberischen Parforceritt wurde jüngst das Gesetz zur Einführung der Musterfeststellungskla- ge beschlossen, das zum 1. November dieses Jahres in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber wollte dieses Instrument schaffen, bevor die Ansprüche der vom VW-Abgasskandal betroffenen Käufer – drei Jahre nach Bekanntwerden – Ende 2018 verjähren. Mit der neuen Musterfeststellungsklage können bestimmte Verbraucherverbände, etwa die Verbraucherzentralen, in einem Musterprozess Rechtsverhältnisse für eine Vielzahl von betroffenen Verbrau- chern verbindlich feststellen lassen. Zu- ständig für die Musterfeststellungklage ist in erster Instanz das Oberlandesgericht, in zweiter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH). Für das Einreichen einer Klage wird zunächst eine Gruppe von mindestens zehn geschädigten Verbrauchern benötigt. Das Gericht kann die Klage dann zulassen oder abweisen. Nach dem Zulassen der Klage können sich betroffene Ver- braucher in ein Klageregister eintragen, das das Bun- desamt für Justiz einrichtet. Ein solcher Eintrag wirkt sich für den individuellen Verbraucher verjährungs- hemmend aus (Paragraf 204 Absatz 1 Nummer 1a Bürgerliches Gesetzbuch). Kosten sind damit noch nicht verbunden. Anschließend müssen sich zum Durch- führen der Musterfeststellungsklage in- nerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Verbraucher in das Klageregister eintragen. Wenn das Gericht zugunsten der klageführenden Verbände entschei- det, muss jeder einzelne beteiligte Verbraucher sei- ne Schadenersatzansprüche in einem Folgeverfahren individuell gerichtlich durchsetzen. Im Rahmen der Musterfeststellungsklage wird also lediglich – für alle verbindlich - geklärt, ob ein Sachverhalt vorliegt, der grundsätzlich zum Schadensersatz be- rechtigt. Ob und in welchem Umfang der einzelne Kläger dann konkrete Ansprüche hat, hängt vom Einzelfall ab. Amerikanische Verhältnisse sind derweil nicht zu befürchten. Zum einen führt die Musterklage – anders als die Sammelkla- ge („class action“), wie sie aus den USA bekannt ist –, nicht zu unmittelbaren Zah- lungstiteln, zum anderen dürfen nur be- stimmte, anerkannte Verbraucherverbän- de diese Klage erheben. Barbara Mayer Friedrich Graf von Westphalen & Partner Jeder Verbrau- cher muss An- sprüche selbst durchsetzen Geschäftsführer hat Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Bild: rcfotostock - Fotolia

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