Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'18 - Hochrhein-Bodensee

Wirtschaft im Südwesten 12 | 2018 8 titel »Das Problem sind die alten Denkstrukturen in den Köpfen« Daniel Werth, Beyerbach GmbH »Wir schauen, dass wir technisch immer auf dem neuesten Stand sind« Peter Buchbinder, Carl Pfeiffer GmbH & Co. KG viele Jahre gewachsenen und daher starken Kun- denbeziehungen. trotzdem muss sich die Branche verändern – und tut es zum großen teil auch. „Viele Unternehmen setzen darauf, neben dem Produkt vor allem den Servicegedanken in den Vordergrund zu stellen“, sagt Boris Behringer. A uch die Beyerbach GmbH in Villingen-Schwen- ningen ist kein klassischer Großhändler mehr. Das war bis vor ungefähr drei Jahren anders: Bis dahin bestand das Hauptgeschäft des Familienun- ternehmens darin, Metzgereien und einige mittelstän- dische Fleischereibetriebe in einem Umkreis von etwa 80 Kilometern mit Gewürzen, Handschuhen, Messern, Plastikbehältern für Salate und anderen Produkten so- wie mit Maschinen und Geräten für ihren täglichen Be- darf zu beliefern. Die Außendienstmitarbeiter fuhren die Betriebe in einem regelmäßigen turnus an und notierten die Bestellungen. ein bis zwei tage später wurden die im firmeneigenen lager verpackten Waren geliefert. Mit diesem traditionellen Großhandelsgeschäft macht die Beyerbach GmbH heute nur noch einen teil ihres Umsatzes. etwa 35 Prozent entfallen 2018 – in ein paar Jahren werden es voraussichtlich 80 Prozent sein – auf den lebensmitteleinzelhandel, den Beyerbach deutsch- landweit beliefert und für den das Unternehmen auch die logistik übernimmt. Das heißt, Beyerbach richtet den Märkten auf Wunsch jeweils ein lager ein, das stets nach demselben System aufgebaut und dessen Fächer mit verschiedenen Barcodes etikettiert sind. Diese kann der Marktmitarbeiter mit seinem Smart- phone scannen und so per App bequem die fehlende Ware nachbestellen. Der Grund für diese neue Dienstleistung: „eine Vielzahl der Produkte bekommt der Kunde überall, zum teil auch günstiger“, sagt Geschäftsführer Daniel Werth. Und angesichts des internets sei er darüber auch besser informiert als früher. „Der Service wird das Wichtigste werden“, sagt Werth, der sein Unternehmen heute als einen Anbieter von Systemlösungen versteht. Die Digitalisierung sieht er dabei nicht als lösung, son- dern als Unterstützer an, um dem Kunden die Arbeit zu erleichtern. Den persönlichen Kontakt hält er nach wie vor für wichtig, er hat sich aber verändert. So spiele die Beratung, zum Beispiel zu themen wie der Kasse der Zukunft, eine immer wichtigere Rolle. Zu den neuen Kunden der Beyerbach GmbH zählen neben einzelhändlern industrieunternehmen vor allem aus dem Bereich Automotive sowie Betriebe aus dem Bereich Hygiene wie Krankenhäuser oder Ärzte. Die Produkte, mit denen Beyerbach diese beliefert, unterscheiden sich nicht von den bisherigen. „Wir haben nur die Zielgruppe erweitert“, sagt Daniel Werth. Denn die Arbeitsschuhe, die Mitarbeiter in einer Metzgerei oder in einem Produk- tionsbetrieb tragen, sind oft dieselben oder stammen zumindest vom gleichen Hersteller. Das gilt zum Beispiel auch für Schutzhandschuhe eines Herstel- lers, von denen in verschiedenen Branchen Modelle unterschiedlicher Dicke oder Farbe verwendet werden. Als einen Grund für die Veränderungen nennt der pro- movierte Wirtschaftspsychologe Daniel Werth, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Florian führt, das geänderte einkaufsverhalten im lebens- mittelbereich. Dazu gehört auch, dass immer weniger Menschen in traditionellen Metzgereien in ihrem Wohn- ort einkaufen, sondern ihre Wurst- und Fleischwaren immer häufiger im lebensmitteleinzelhandel erwerben. Vor vier Jahren stand die Familie – bis zum Jahresbe- ginn waren die eltern Helga und Michael Werth noch in der Geschäftsführung aktiv – vor der Frage: klassisch fortführen, verkaufen oder grundlegend neu aufbau- en? Obwohl die Geschäfte stabil und die Mitarbeiter- zahl mit durchschnittlich 20 konstant war. Heute hat Beyerbach 28 Beschäftigte und neben der Zentrale in Schwenningen Vertriebsbüros in Karlsruhe und Willich (Nordrhein-Westfalen). Die meisten Beschäftigten sind geblieben, aber, so berichtet Daniel Werth: „ihre Kom- petenz hat sich geändert.“ Der Veränderungsprozess, der mit der Digitalisierung sämtlicher Strukturen ein- herging, sei für viele, vor allem langjährige Mitarbeiter schwierig gewesen. „Das Problem sind dabei nicht die neuen technologien, es sind die alten Denkstrukturen, die gefestigten Muster in den Köpfen der Führungskräf- te und Mitarbeiter“, hat er festgestellt. D as einkaufsverhalten der Betriebe, die der Großhandel traditionell beliefert, wird sich wei- ter ändern: immer mehr Unternehmen kaufen Büro-, elektronik- oder Gastronomiebedarf nicht mehr bei ihnen, sondern auf B2B-Onlinehandelsplattformen wie Amazon Business, Mercateo und Alibaba. „Viele übertragen auf die Geschäftswelt, was sie privat schon machen“, sagt thomas Kaiser, der bei der iHK Süd- licher Oberrhein unter anderem für die Beratung im Bereich Handel zuständig ist. Das sei häufig über einen Klick möglich, somit komfortabel, und das Diskutieren über den Preis falle weg. eine eigene Onlineplattform ist für Kaiser daher ein Muss für einen Großhändler. Je nach Branche schlägt er als Alternative Apps zur Unterstützung der Außendienstmitarbeiter vor. „Der Großhändler wird immer mehr zum Dienstleister im Geschäftsumfeld“, sagt Kaiser. Das sieht Boris Behrin- ger vom Großhandelsverband ähnlich, der ebenfalls den Zusatznutzen betont, den der Großhändler dem Kunden neben der Ware bieten müsse. „Dafür wird es nie eine pauschale lösung geben“, gibt er zu beden- ken. „Da muss sich jedes Unternehmen fragen: Was brauchen meine Vertragspartner, die in der lieferkette vor und nach mir kommen.“ Heiner lasi, Professor für industrial intelligence und leiter des Ferdinand-Steinbeis-instituts in Stuttgart, sieht die Zukunft des Großhandels in digitalen Un- ternehmensnetzwerken. Dazu erstellt er mit seinen Mitarbeitern zurzeit im Auftrag von „grosshandel-bw“ und gefördert vom Wirtschaftsministerium des landes eine Studie. Dabei spielen sogenannte Micro testbeds eine wichtige Rolle. in einem geschützten Raum proben illustration: exdez

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