Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'18 - Südlicher Oberrhein

11 | 2018 Wirtschaft im Südwesten 49 Worin sehen Sie die Herausforderung angesichts der Digitalisierung? Dass Digitalisierung für die einen bedeutet, eine gute IT-Abteilung zu haben, für ande- re, den Vertrieb zu digitalisieren und für wieder andere, neue Tools wie Big Data oder Blockchain zu nutzen. Was meinen Sie mit Ihrer These „Digitalisierung beginnt im Kopf“? Da die Entwicklung uns als ganze Gesellschaft in allen Bereichen betrifft, muss man in einem ersten Schritt bereit sein, sich auf neue Dinge einzulassen. Das ist für manche Mitarbeiter, die schon seit Jahrzehnten in ihrem Bereich arbeiten und den Status Quo lieben, oder für viele große Konzerne mit starren Strukturen schwer. Sie müssen sich neue Geschäftszweige oder Produkte überlegen, auch wenn sie dabei an ihre Grenzen stoßen. Der zweite Schritt ist zu handeln und dabei hierarchie- und abteilungsübergreifend zu arbeiten. Dabei ist eine Offenheit, digitale Tools anzuwenden, wichtig. Tun sich Frauen bei diesem Prozess schwerer als Männer? Ich halte nichts davon, mit Stereotypen zu arbeiten. Ich kenne viele Frauen, die bei diesem Thema offen, und viele Männer, die zurückhaltend sind. Ich glaube, dass die Sozialisation wichtiger ist als das Geschlecht. In unserer Gesellschaft muss man die herrschenden Stereotypen durchbrechen, die junge Mädchen häufig daran hindern, technische Berufe zu ergreifen. Programmieren ist auch nur eine Sprache, die man sich aneignen kann, wenn man die richtigen Lehrer oder Mentoren hat. Warum haben Sie die Initiative „Global Digital Women“ gegründet? Dafür gibt es drei Gründe. Erstens glaube ich an die Kraft des Netzwerkens. Da hat mich mein eigener politischer Weg beeinflusst. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, Allianzen zu schmieden. Zweitens möchte ich auf Frauen zugehen, weil ich auf meinem eigenen Karriereweg von starken Frauen gefördert worden bin. Diese Erfahrungen möchte ich weitergeben und einen Raum schaffen, wo sich Frauen austauschen können. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, dass mehr Frauen in Führungspositionen und digitale Berufe kommen. Drittens habe ich die Erfahrung gemacht, und auch Studien belegen, dass Diversität und damit auch Gleichberechtigung sowie Digitalisierung zusammenhän- gen. Mein Punkt ist, dass man dabei global, also international, denken muss, um lokal handeln zu können. Wie ist Ihrer Meinung nach die Wirtschaft im Südwesten Deutschlands aufgestellt, wenn es um Frauen in Führungspositionen und Digitalisierung geht? Ich glaube, dass wir da in Deutschland generell hinterher sind, was Frauen in Führungs- positionen angeht. Im Südwesten haben wir ja eine starke Wirtschaft, viele erfolgreiche Mittelständler und Hidden Champions. Viele sind zum Beispiel in der Robotik und anderen Bereichen der Digitalisierung weit. Sie müssen das aber anders nach außen kommuni- zieren und attraktive Arbeitsbedingungen bieten, um digitale Talente zum Beispiel aus Berlin hierher zu bekommen. Interview: mae TIJEN ONARAN (33) Sie ist Moderatorin, Speakerin, PR- Spezialistin, Kolumnistin und Unterneh- merin: Tijen Onaran hat sich mit ihrer Firma „startup affairs“ auf die PR- und Digitalberatung von Unternehmen spezi- alisiert. Mit der Initiative „Global Digital Women“, die sie 2018 gegründet hat, engagiert sie sich zudem für die Ver- netzung und Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalbranche. Bekannt wurde die gebürtige Karlsruherin, als sie 2006 im Alter von 20 Jahren in ihrer Heimatstadt auf der FDP-Liste für den Landtag kan- didierte. Auch während ihres Politikstu- diums in Heidelberg engagierte sie sich noch in der FDP, aus der sie inzwischen ausgetreten ist, und arbeitete unter an- derem für Europa- und Bundestagsab- geordnete der Partei. Heute lebt sie in Berlin. Mitte Oktober nahm sie als Red- nerin am Frauenwirtschaftstag der IHK Hochrhein-Bodensee in Konstanz teil. » Ich glaube an die Kraft des Netzwerkens « Tijen Onaran wünscht sich mehr Frauen in digitalen Berufen und in Führungspositionen. Beim Frauenwirtschaftstag der IHK in Konstanz hielt die Unternehmerin einen Impulsvortrag zum Thema „Digitalisierung beginnt im Kopf“. Darüber und über ihre Anliegen sprach sie auch im Interview. Bild: Urban Zintel

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