Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'18 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

Wirtschaft im Südwesten 9 | 2018 10 titel dies Simon Kaiser. Da die Betriebe die dringend benötig- ten Fachkräfte nicht auf dem freien Markt bekommen, bilden sie mehr aus – so, wie im Rest des Regierungsbe- zirks. „Auch die, die schon länger nicht mehr oder noch gar nicht ausgebildet haben, entscheiden sich vermehrt dafür“, sagt Kaiser. Gleichwohl gibt es auch am südlichen Oberrhein noch viele offene Stellen – vor allem in Handel, Hotellerie und Gastronomie. Und auch Probleme, die man auf den ersten Blick nicht sieht: „Die Zahlen verdecken die Zugeständnisse bei der Ausbildungsreife“, so Simon Kai- ser. Der einzig positive Effekt des Fachkräftemangels sei, dass jetzt Jugendliche eine Chance bekommen würden, die vor zehn Jahren noch keine hatten. „Das führt aber zu Folgeproblemen in den Betrieben und Berufsschulen“, sagt Kaiser. So werde die Spanne zwischen dem besten und dem schlechtesten Schüler immer größer. Auch bei Flüchtlingen – sie machen inzwischen vier Prozent der bei der IHK registrierten Azubis aus, Ten- denz steigend – sind fehlende oder zu geringe Deutsch- kenntnisse häufig ein Problem. Was im Betrieb oftmals noch funktioniere, sei auf der Schule aufgrund des un- zureichenden Textverständnisses hochproblematisch, weiß Kaiser zu berichten. Die Unternehmen seien aber über alle Branchen hinweg sehr offen, Flücht- linge auszubilden. Außerdem gewinnt laut Kaiser die Teilzeitausbildung angesichts des Fachkräftemangels an Dynamik – wenn auch auf niedrigem Niveau. Und die Betriebe legen bei ihren Hochschulkooperationen den Fokus nicht mehr nur auf Technologietransfer und Absolventen, sondern auch auf Studienabbrecher – vor allem bei den technischen Ingenieuren, die sie gerne zu Mechatronikern ausbilden. Eines ist vielen Betrieben gemein: Sie müssen einen grö- ßeren Aufwand als früher betreiben, um Auszubildende zu finden. Daher bieten sie ihnen viele zusätzliche An- reize wie eine übertarifliche Ausbildungsvergütung oder einen Mobilitätszuschuss. Auch die Ausbildung selbst würde immer professioneller, so Simon Kaiser. Beispiels- weise würden auch immer mehr und längst nicht mehr nur die großen Unternehmen Einführungswochen für ihre Azubis anbieten. Auch die IHK Südlicher Oberrhein veranstaltet in der ersten und zweiten Septemberwo- che zum ersten Mal ein „Azubi Opening“. Bei dem je- weils fünftägigen Seminar geht es darum, die fehlende Ausbildungsreife zumindest ein wenig wettzumachen. Schlüsselqualifikationen werden trainiert und ausbil- dungsrelevante Grundfertigkeiten gestärkt – zum Bei- spiel professionelles Telefonieren und Korrespondieren. Z u den Betrieben, die daran teilnehmen, zählt die TDK-Lambda Germany GmbH mit Sitz in Achern. „So wollen wir unsere beiden neuen Azubis auf den Einstieg ins Arbeitsleben vorbereiten und ihnen die Angst vor der Ungewissheit nehmen, was auf sie zukommt“, sagt Brigitte König, die bei dem Unternehmen für das Personal verantwortlich ist. Zwei junge Frauen haben am 1. September ihre Ausbildung bei TDK-Lambda begonnen, eine künftige Industriekauffrau und eine künftige Elek- tronikerin für Geräte und Systeme. Letztere ist nicht nur die erste weibliche Auszubildende des Unternehmens in diesem Beruf, sondern auch der erste Elektroniker-Azubi seit zwei Jahren. „Wir freuen uns, dass es wieder geklappt hat“, sagt Brigitte König. Gefunden wurde sie erst, nach- dem TDK-Lambda zum zweiten Mal inseriert hatte. Auf die erste Annonce in einem regionalen Anzeigenblatt, in der für beide Ausbildungsplätze geworben wurde, hatten sich gerade einmal vier Bewerberinnen gemeldet, alle auf den Ausbildungsplatz als Industriekauffrau. „Das waren erschreckend wenige“, sagt die Ausbilderin und Mitar- beiterin im Versandbüro Heike Fritsch. Immerhin eine von ihnen erfüllte die Anforderungen des Unternehmens – das sind neben einem mittleren Bildungsabschluss gute Noten in Deutsch, Mathe und Englisch. Vor allem Letz- teres ist wichtig, da die Unternehmenssprache Englisch ist und die Azubis in der Fremdsprache telefonieren und englische E-Mails verstehen müssen, wenn sie am Emp- fang eingesetzt werden. Allerdings ist man hier auch zu Zugeständnissen bereit, „wenn die Lernbereitschaft da ist“, wie Heike Fritsch betont. Das Unternehmen wurde als deutsche Niederlassung der US-amerikanischen Lambda-Gruppe gegründet und hat seit 1973 seinen Sitz in Achern. Seit 2005 gehört es zum japanischen Konzern TDK, einem der weltweit größten Hersteller elektronischer Bauteile und Strom- versorgungen. Die Kunden kommen zum Beispiel aus der Medizintechnik und dem Maschinenbau. In Achern hat das Zentrallager für Europa seinen Sitz. Außerdem gibt es eine kleine Produktion, in der Geräte nach Kun- denwunsch modifiziert oder repariert werden. Auch Eigenentwicklungen verlassen das Haus. Von den 96 Beschäftigten der TDK-Lambda Germany GmbH arbeiten 61 in Achern, darunter sind drei Auszubildende. Letztere wurden bislang nicht nur über Anzeigen, sondern vor al- lem über Aushänge an den beruflichen Schulen in Achern und Offenburg sowie durch Mund-zu-Mund-Propaganda der Mitarbeiter aus dem Raum Achern rekrutiert. Sei- nen Mitarbeitern bietet das Unternehmen auch einiges, wie Brigitte König betont. Sie nennt neben einem guten Arbeitsklima kostenlose Getränke, Tankgutscheine, Ge- sundheitskurse und Fortbildungen als Beispiele. Das wissen offenbar auch die Auszubildenden zu schätzen. „Bislang sind die meisten geblieben“, sagt Brigitte König. Und Heike Fritsch betont: „Ein größeres Geschenk kann es für einen Betrieb nicht geben.“ Susanne Maerz 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 IHK Südlicher Oberrhein IHK Schwarzwald - Baar - Heuberg IHK Hochrhein - Bodensee Neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse Stand zum 31. Juli IHK Hochrhein- Bodensee : Alexandra Thoß, Tel. 07531 2860-131, alexandra.thoss@ konstanz.ihk.de, IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg: Martina Furtwängler, Tel. 07721 922-164, furtwaenglerm@ vs.ihk.de, IHK Südlicher Oberrhein : Simon Kaiser, Tel. 0761 3858-150, simon.kaiser@ freiburg.ihk.de »Die Zahlen verdecken Zuge- ständnisse bei der Ausbildungsreife« Simon Kaiser, IHK Südlicher Oberrhein Die neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse der drei IHKs im Regie- rungsbezirk Freiburg seit 2008, stets zum 31. Juli. Quelle: IHK, Grafik: Falkenstein

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