Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'18 - Schwarzwald-Baar-Heuberg
9 | 2018 Wirtschaft im Südwesten 9 titel Unter den rund 1.113 Mitarbeitern des Unternehmens sind sechs Studenten (Duale Hochschule) sowie 113 Auszubildende. 51 von ihnen haben am 1. September ihre Ausbildung in fünf Berufen in den Hieber-Märkten begonnen. Darunter sind zwei Flüchtlinge - ein ange- hender Koch und ein angehender Fleischer. Diese und die anderen Flüchtlinge, die bei Hieber ausgebildet wer- den oder wurden, haben zuvor ein Langzeitpraktikum in den Märkten sowie Sprachkurse absolviert. Trotzdem rechnet Karsten Pabst damit, dass es vor allem auf der Berufsschule Sprachprobleme geben wird. Aber er ist zuversichtlich: „Die werden wir irgendwie durch die Prü- fung kriegen, so wie wir es Anfang der 1990er-Jahre auch mit den vielen Osteuropäern geschafft haben, die nach der Öffnung der Grenzen zu uns gekommen sind.“ Ob Flüchtling oder inländischer Azubi: Für Karsten Pabst stehen bei der Rekrutierung nicht möglichst gute Noten im Vordergrund, sondern die praktische Veranlagung – und natürlich die Begeisterung für den Beruf. Ist dies vorhanden und stimmen die Leistungen, versucht Hieber, seine ausgelernten Azubis in deren Wunschbereich zu beschäftigen und bietet ihnen verschiedene Weiterbil- dungsmöglichkeiten an. „Für uns ist die Ausbildung des- wegen so wichtig, weil wir auf dem Markt gar nicht die Mitarbeiter finden, die wir brauchen.“ Seinen Lehrlingen bietet Hieber daher auch einiges: eine übertarifliche Vergütung und Prämien von 100 oder 200 Euro pro Monat für gute Beurteilungen sowie Aktionen wie ein zweitägiges Sommercamp mit gemeinsamem Grillen, Übernachten, Gewinnspielen und einem Volleyballturnier Azubis gegen Führungskräfte. „So wollen wir uns als cooler Arbeitgeber präsentieren“, sagt Karsten Pabst. Beim Rekrutieren der Azubis setzt er vor allem auf Netz- werke. Das sind zum einen die Familien und Freunde der Mitarbeiter, über die das Unternehmen nach wie vor die meisten Azubis gewinnt. Sie können alle zwei Jahre beim Elterntag einen Blick hinter die Kulissen des Unternehmens werfen. Zum anderen sind dies die von der IHK seit zehn Jahren vermittelten Bildungspartner- schaften, die 9 der 13 Hieber-Märkte mit Werkreal- und Realschulen vor Ort abgeschlossen haben. Erst danach kommen für Karsten Pabst Ausbildungsbörsen, gefolgt vom Internet. Gleichwohl gibt es auch bei Hieber noch freie Ausbildungsplätze. „Aber jammern bringt nichts, wir werden lieber aktiv“, sagt er. Region Südlicher Oberrhein F reie Ausbildungsplätze haben auch noch viele Un- ternehmen am südlichen Oberrhein, aber ebenfalls mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge als in den Vorjahren: „Wir haben deutliche Zuwächse über fast alle Branchen hinweg“, sagt Simon Kaiser, Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein. Ende Juli verzeichnete die IHK 3.235 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, das sind 117 mehr als ein Jahr zuvor. Geradezu boomen würde der gewerblich-technische Bereich mit einem Plus von 13,1 Prozent. „Die Wirtschaft brummt nach wie vor“, begründet IHK-UMFRAGE In mehr als jedem dritten Unternehmen bleiben Ausbildungs- plätze unbesetzt . Das ist ein Ergebnis der IHK-Onlineumfrage 2018 zur Aus- undWeiterbildung für das Land Baden-Württem- berg. Daran haben sich im Frühjahr knapp 1.700 Unternehmen beteiligt. Rund ein Drittel von ihnen kommt aus der Industrie. Die zweitgrößte Gruppe ist mit rund 15 Prozent der Handel. Noch nie seit Beginn der Umfrage im Jahr 2009 hatten die Unterneh- men so große Probleme, ihre Fachkräfte über dieAusbildung von eigenem Nachwuchs zu sichern. Die größten Schwierigkeiten hat weiterhin das Gastgewerbe. Nur 41 Prozent der Unterneh- men können alle Ausbildungsplätze besetzen. Schwer tun sich auchVerkehrsbranche (52,8 Prozent Besetzungsquote) und Bau- gewerbe (58,5 Prozent). Mehr und mehr Unternehmen stehen zudem ohne Bewerbungen da. So erhielt ein gutes Viertel der Unternehmen, die nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen konnten, gar keine Bewerbungen mehr. Mehr als drei Viertel von ihnen erhielten keine geeigneten Bewerbungen. Auf vielfältige Weise versuchen die Unternehmen Bewerber zu gewinnen : Neben dem Angebot von Praktikumsplätzen (58,5 Prozent) verbessern sie ihr Ausbildungsmarketing und erschließen immer mehr neue Bewerbergruppen wie Studie- nabbrecher (42,9 Prozent) und Flüchtlinge (25 Prozent). Immer mehr Unternehmen bieten ihren Auszubildenden finanzielle oder materielle Anreize (14,7 Prozent), wie aus der Umfrage im Land hervorgeht. Ausbildungshemmnisse stellen 33 Pro- zent der Unternehmen fest. Dass Bewer- ber zu unklare Vorstellungen vom Beruf haben, steht mit Abstand an erster Stelle (81,9 Prozent). Immer mehr Unternehmen führen an, dass Absolventen trotz Über- nahmeangeboten das Unternehmen nach der Ausbildung verlassen (38,7 Prozent). Ein besorgniserregender Trend: 93,4 Pro- zent der Betriebe konstatieren Mängel bei den Schulabgängern, allen voran beim mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögen (61,5 Prozent), gefolgt von Leistungsbereitschaft und Motivation (60,5 Prozent), Belastbar- keit (58 Prozent) sowie Disziplin (55,9 Prozent). Dass sich die Ausbildungsreife verschlechtert hat, trifft auf alle Bereiche zu. Weiter zugenommen hat die Bereitschaft, leistungsschwä- chere Schulabgänger auszubilden . Nur noch knapp jedes fünfte Unternehmen gibt an, dies sei nicht möglich. Die anderen begegnen der mangelnden Ausbildungsreife mit Nachhilfean- geboten (41,7 Prozent), nutzen ausbildungsbegleitende Hilfen der Agentur für Arbeit (36,6 Prozent) und bieten betriebliche Einstiegsqualifizierungen an (17,7 Prozent). Eine Zahl hat sich imVergleich zur Umfrage von 2017 fast verdoppelt: 16,3 Prozent der Unternehmen bilden nun Flüchtlinge aus, und 15,5 Prozent (Vorjahr 21,3 Prozent) planen dies in den nächsten zwei Jahren. Um ihnen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, bieten viele Betriebe Praktika und Einstiegsqualifizierungen an. bwihk Bild: shironosov
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5