Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli'18 - Hochrhein-Bodensee

Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2018 8 titel etwa Mitte 50. Sie sollte strukturiert sein und auch auf emotionale Aspekte eingehen, die beispielsweise aus der dreifachen Rolle des Übergebenden resultieren: Er ist erstens Unternehmer, zweitens „Hüter des Geldes“ und schließlich häufig Papa. Im Bestfall, so Rehfuß, ist eine Übergabe nach 18 Monaten abgeschlossen. Sie erfordert Mut, Kompetenz und Vertrauensbereit- schaft. Es geht schließlich darum, Lebenswerke zu sichern und tragfähige Existenzen zu gründen, wie Susanne Oser von der IHK Südlicher Oberrhein in ihrer Begrüßung zu der Veranstaltung betonte. Notfallplan – was wie geregelt werden muss „Mir passiert schon nichts“ – das ist ein in Unterneh- merkreisen nicht selten zu hörender Satz. Er stimmt nicht. Auch hier schlagen Unfälle und im schlimmsten Fall plötzliche Todesfälle zu. Ein Beispiel nannte Jürgen Haas von der Finanzkanzlei Südbaden in Auggen: Der Inhaber eines Unternehmens mit zwei Millionen Euro Umsatz und 16 Mitarbeitern, ohne den in seinem Un- ternehmen nichts läuft, hatte einen Unfall. Er war drei Monate außer Gefecht gesetzt. Banken, große Kunden und Lieferanten sowie Mitarbeiter fragten, wie es jetzt weitergeht. Sie fragten das die Familie, die aber auch nicht weiterwusste. Kaum etwas war geregelt. Diese Erfahrung war für den befreundeten Jürgen Haas ein Schlüsselerlebnis, um sich intensiv Gedanken zu ma- chen, was für solche Fälle geregelt sein muss. Es geht um Maßnahmen und Handlungsanweisungen zur Unter- nehmensweiterführung, die der Unternehmer voraus- schauend trifft. Antworten beispielsweise auf folgende Fragen muss er dabei finden: Wer kann weiterführen? Wer kennt vieles im Betrieb und seiner Umgebung? Wer hat Vollmachten? Gibt es einen Beirat? Wie ist die Vor- sorge für die Familie geregelt? Wer erbt im Todesfall? Zu diesem Themenkomplex gehören auch Verfügungen im privaten Bereich wie die Vorsorgevollmacht, die Betreuungs- oder die Patientenverfügung. Am besten lässt sich das mit einem Notfallplan festlegen. Es geht um einen schnellen Überblick für den Nutzer und um die Abwehr von Risiken für Unternehmen und Fami- lie. Alles sollte man schriftlich fixieren und perma- nent aktualisieren. Es gehören Vertrauenspersonen benannt, Mitarbeiter verantwortlich gemacht und die Familie informiert. Zu diesem Themenbereich haben die Industrie- und Handelskammern ein 66-seitiges Notfallhandbuch herausgegeben, das die wichtigsten Informationen über das Unternehmen und Bestimmun- gen des Unternehmers in kürzester Form sehr konkret zusammenfasst und das vom Unternehmer ausgefüllt wird (siehe links). Diskussion über mögliche Stolpersteine Nach Stolpersteinen bei der Übergabe fragte anschlie- ßend Bertram Paganini von der IHK Hochrhein-Boden- see in einer Gesprächsrunde, die vom Wirtschaftsprü- fer und Steuerberater Peter Unkelbach und seinem Sohn Philipp, ebenfalls Wirtschaftsprüfer sowie Steu- erberater (sie haben gerade einen Übergabeprozess in der familieneigenen Treuhandgesellschaft initiiert), von Falk Wöhrle, der in Singen zu Beginn des kommenden Jahres zwei Schuhgeschäfte von seinem Vater Hans Wöhrle übernehmen will, von Karl Rehfuß und Marlene Hauser (IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg) bestritten wurde. Ein Tabuthema, das die Runde schnell identifizierte, ist das Unvermögen der älteren Generation, loszulassen. Viele hin und wieder sogar betagte Unternehmer von über 80 Jahren können nicht einsehen, abzugeben. „Ich bin doch fit“, ist ein häufig zu vernehmendes Ar- gument. Ein Stolperstein beim Abgeben ist oft auch der Kaufpreis. „Wert und Preis sind nicht dasselbe“, meinte Peter Unkelbach. Beim Kaufpreis komme vieles ins Stocken, obwohl es genügend Bewertungskriterien und Verfahren gebe. Er plädierte wie auch Bertram Paganini für ein Ertragswertverfahren. Falk Wöhrle und Philipp Unkelbach betonten, das Wesentliche beim Übernahmeprozess sei das gegenseitige Verständnis und vor allem Vertrauen. Gerade in Familienunter- nehmen sei es wichtig, dass nicht Familienmitglieder, die vielleicht weniger geeignet seien, vorgeschoben werden dürften zu Ungunsten familienfremder, aber womöglich besserer Interessenten, meinte Karl Reh- fuß. Und: Der Übernehmer dürfe nicht hingehalten werden, sonst sei er schnell weg. In Zeiten, da es mehr Abgabe- als Übernahmewillige gibt, sei dies wenig empfehlenswert. Marlene Hauser wies ergänzend auf die Grenzlage zur Schweiz hin, die diese Situation noch verschärfe. Ulrich Plankenhorn 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 2017 2022 > 55 Jahre < 54 Jahre 5180 7286 4749 7717 Anzahl der Unternehmen Übergabebetroffene Firmen (rot) in den Jahren 2017 und 2022 Die Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen (Umsätze zwischen 250.000 Euro und 5 Millionen Euro), die in den IHK-Bezirken Hochrhein-Bodensee, Schwarzwald-Baar-Heuberg und Südlicher Oberrhein eine Nachfolge für ihren Chef organisieren müssen, steigt von 2017 bis 2022 um rund 50 Prozent auf 7.717. Quelle/Grafik: Untersuchung der Beratergruppe K.E.R.N (die Nachfolgespezialisten), eigene Berechnungen Das IHK-Notfallhand- buch ist kostenfrei als ausfüllbare Pdf-Version über die Internetseiten der IHKs erhältlich: www.konstanz.ihk.de www.schwarzwald- baar-heuberg.ihk.de www.suedlicher- oberrhein.ihk.de Informationen zum Thema Nachfolge: IHK Hochrhein- Bodensee : Bertram Paganini, Tel. 07531 2860-130 IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg: Marlene Hauser, 07721 922-348​ IHK Südlicher Ober- rhein : Christina Gehri, Tel. 0761 3858-142, sowie Christian Müller, Tel. 07821 2703-641 Alter der Firmenchefs Anzahl der Unternehmen 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 2017 2022 > 55 Jahre < 54 Jahre 5180 7286 4749 7717 Anzahl der Unternehmen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5