5 | 2018
Wirtschaft im Südwesten
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Sparkassenchef Lothar Mayer bei „Überraschende Perspektiven“
Wie die Digitalisierung die Finanzwelt verändert
D
ie Digitalisierung treibt auch uns ein Stück weit vor sich her“,
stellte Lothar Mayer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse
Bodensee, fest. Im Rahmen der Gesprächsreihe „Überraschende
Perspektiven“, die von der IHK und dem Südkurier Medienhaus ver-
anstaltet wird, diskutierte Südkurier-Redakteur Andreas Schuler
Mitte April in der IHK in Konstanz mit dem Finanzexperten über
Veränderungen, gläserne Menschen und mögliche Zukunftsszena-
rien im Zuge der Digitalisierung.
Die Finanzbranche sei ein heiß umkämpfter Markt. Der Wettbewerb
unter den Regionalbanken habe zumindest für deutsche Kunden
etwas Gutes: „Die Preise für Bankdienstleistungen sind im Vergleich
sehr gering“, stellte Lothar Mayer fest. Die Konkurrenz habe sich
durch große, weltweit agierende Konzerne verändert, die sich zwi-
schen Kunden und Bank stellen. Die Leistung dieser Onlinebezahl-
dienste sei ausnahmslos technikbasiert. Auch wenn der Kunde nur
Mini-Beträge zu zahlen hat: „In großer Summe kann man viel Geld
verdienen“, so Mayer, der aber feststellt, dass eben diese Onlinebe-
zahldienste kein Interesse an aufwändigen Kontoführungen haben,
denn hier greifen viele Regulatoren und aufwendige Sicherungsmaß-
nahmen, darunter das Geldwäschegesetz. Die Sparkasse beispiels-
weise beschäftige einen Mitarbeiter, der aufgrund vorgegebener
Kriterien den Zahlungsverkehr analysiere und im Verdachtsfall eine
Meldung abgebe. Konten als Basis für alle Geldgeschäfte werden
also zunächst Kerngeschäft der Regionalbanken bleiben.
Gleichwohl ziehen die Regionalbanken aufgrund des sich verändern-
den Kundenverhaltens nach. Lothar Mayer wies auf die App-Funktion
Kwitt hin, mit der Kleinbeträge in Höhe von maximal 25 Euro per
Handy an Freunde überwiesen werden können. Mit Paydirekt hätten
deutsche Banken und Sparkassen auch schon ein Onlinebezahlver-
fahren auf den Markt gebracht, das allerdings noch nicht internati-
onal verankert sei. Große Veränderungen werde das neue Projekt
im Bankensektor Instant Payment mit sich bringen, ist Lothar Mayer
überzeugt. Damit werde die sekundenschnelle Überweisung rund
um die Uhr ermöglicht. Diese Transaktionsmöglichkeiten „werden
das reale Leben verändern“, prognostizierte er.
Der digitale Zahlungsverkehr schaffe aufgrund der Nachvollziehbar-
keit ein Stück weit mehr Sicherheit. Der Nachteil: „Ein Stück Privat-
sphäre geht verloren“, konstatierte Mayer, denn das ökonomische
Verhalten des Individuums sei absolut nachvollziehbar.
„In Schweden ist es fast nicht möglich, mit Bargeld zu zahlen“, be-
richtete er. Allerdings glaubt Mayer nicht an den ausnahmslosen,
bargeldlosen Zahlungsverkehr. Nicht nur die Deutschen, „auch die
Italiener sind verliebt ins Bargeld“, so der Sparkassenchef, der er-
läuterte, in Europa seien 21 Milliarden Banknoten und Münzen im
Umlauf; eine Milliarde sei im Jahr 2017 dazugekommen, seit 2002
hätte sich die Zahl der umlaufenden Noten verdreifacht. Lothar
Mayer hält es für „wichtig und richtig“, den Bargeldzahlungsver-
kehr aufrecht zu halten. Er schreibt den realen Zahlungsmitteln
eine „Wertaufbewahrungsfunktion“ zu – im Gegensatz zu den so-
genannten Kryptowährungen, von denen es aktuell etwa 1.700 auf
der Welt gebe. Mayer stellte deutlich klar: „Eine Währung ist ein
staatlich legitimiertes Zahlungsmittel.“ Kryptowährungen hingegen
seien „künstlich geschaffene Recheneinheiten, die computergestützt
entwickelt werden, aber nicht real einsetzbar sind“. Der Finanzexper-
te vergleicht das Agieren mit Kryptowährung mit einem Spiel. „Es ist
eine hippe Idee, die aber nicht fertig entwickelt ist“, wertete Mayer.
Auch die Arbeitswelt unterliege „einem enormen, gewaltigen Verän-
derungsprozess“ im Zuge der Digitalisierung. Allerdings ist Lothar
Mayer davon überzeugt, dass jeder Trend einen Gegentrend auslöst.
„Wäre man nur noch eine Spur auf der Datenautobahn, würde man
sich ein Stück weit selbst verlieren“, bemerkte Mayer. Wichtig sei
stets die Bereitschaft für Veränderungen. Führungskräfte sollten
die Mitarbeiter an Prozessen beteiligen, ihnen Sinn aufzeigen, Wert-
schätzung entgegenbringen, denn „sonst sind wir nur noch Bediener
megaintelligenter Technik“. Was aber den Menschen unersetzlich
macht: „Wir verfügen über emotionale Intelligenz“, sagte Lothar
Mayer. Dies sei auch in der Finanzbranche unerlässlich, denn die
Kunden benötigten auch künftig kompetente Beratung, die die per-
sönliche Lebenssituation wahrnehme.
as
Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Überraschende Perspekti-
ven“ findet am 8. Mai ab 19 Uhr in der IHK in Konstanz statt. Zu
Gast ist der Internetunternehmer Andreas Owen, das Thema: „Macht
von Bewertungen“. Anmeldung an:
teilnehmen@suedkurier.de.
Mit Blick auf den See
rhein: Südkurier-Redakteur
Andreas Schuler (2. von
rechts) diskutierte mit dem
Vorstandsvorsitzenden
der Sparkasse Bodensee,
Lothar Mayer, im Rahmen
der Gesprächsreihe „Über-
raschende Perspektiven“
Mitte April in der IHK in
Konstanz über die Digitali-
sierung in der Finanzwelt.
Bild: Südkurier/Aurelia Scherrer