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Wirtschaft im Südwesten

2 | 2018

10

TITEL

zur Mine für seltene Erden in Entwicklungsländern

(beispielsweise Kobalt in Nigeria, verknüpft mit dem

möglichen Problem Kinderarbeit).

D

isruptive Veränderungen wirken sich nicht nur

auf die betroffene Branche direkt, sondern auch

auf deren Ausrüster, beispielsweise den Maschi-

nenbau, aus. Dass als Reaktion darauf auch kleinere und

mittlere Unternehmen den Weg einer Firmengründung

im Ausland beschreiten können, machte

Lothar Maier

,

Senior Key Account Manager des Maschinenbauers

J. G. Weisser Söhne in St. Georgen, deutlich. Das Unter-

nehmen stellt multifunktionale Präzisionsdrehmaschinen

her und hat 2014 begonnen, eine Vertriebs- und Service-

firma in der Nähe von Shanghai/China aufzubauen. J. G.

Weisser hat sich auf die Komplettbearbeitung rotationssy-

metrischer Werkstücke konzentriert – für die Automotive-

industrie beispielsweise auf Teile im Antriebsstrang, im

Fahrwerk und im Motor. Kunden sind nahezu alle großen

Automobilhersteller und Zulieferer. Weisser baut 200 bis

250 Maschinen im Jahr und 65 Prozent des Umsatzes von

100 bis 120 Millionen Euro im Export. Die Tochterfirma

in China hat man aufgebaut, um vor Ort den Marktanteil

auszubauen und die dort schon

installierten circa 200 Maschi-

nen zu betreuen. Die Firma hat

inzwischen zehn Mitarbeiter

und wird von einem chinesi-

schen Geschäftsführer gelei-

tet, der in Konstanz studiert

hat und mit einer Deutschen

verheiratet ist. Die Mitarbeiter der Tochtergesellschaft

bekommen in St. Georgen Produktschulungen und wer-

den von erfahrenen Facharbeitern eingearbeitet. Prob-

leme sind häufig sprachlicher Art (auf beiden Seiten),

die Wissensfreigabe durch die deutschen Kollegen („Ist

mein Arbeitsplatz langfristig in Gefahr?“), das Entsenden

der deutschen Fachleute nach China (dem wird mit Hilfe

bei der Wohnungs- und Schulsuche begegnet) sowie die

Tatsache, dass auch in China wenige qualifizierte Be-

werber vorhanden sind, die zudem inzwischen ebenfalls

ein hohes Lohnniveau haben. Maier zeigte sich dennoch

zufrieden mit dem bislang dreijährigen Aufbauprozess,

obwohl die Anforderungen an die Tochtergesellschaft

noch nicht ganz erfüllt seien.

W

ie man große Veränderungen zur Chance

machen kann, dazu gab

Wolfgang Häußler

Ratschläge. Er ist Produktmanager für Bat-

teriemanagementsysteme bei Marquardt in Rietheim-

Weilheim. Lithiumbatterien – wesentliche Bausteine

für E-Autos – sind Hochleistungssysteme, aber laut

Häußler auch „Primaballerinen“, die sehr empfindlich

auf beispielsweise Überladung oder falsche Tempera-

turen reagieren. Batteriemanagementsysteme helfen

dabei, das Alter, die Vorgeschichte, den Füllstand und

diverse andere Zustände einer Batterie zu erfassen und

zu steuern. Über das grundsätzliche Wissen für sol-

che Batteriemanagementsysteme verfügt Marquardt

aus langer Kenntnis über Schalter für Lithiumakkus in

Elektrowerkzeugen. Das Geschäftsfeld Batteriemanage-

mentsysteme wird bei Marquardt eine immer größere

Bedeutung gewinnen. Aus der Erfahrung, angesam-

meltes Wissen und Können in neue Geschäftsfelder

zu überführen (Marquardt ist dies bislang mehrfach in

der Firmengeschichte gelungen), leitete Häußler seine

erste Empfehlung ab, wie man auf disruptive Entwick-

lungen reagieren sollte: den Fokus auf die Stärken des

Unternehmens legen und die Schwächen vergessen.

Dabei haben kleinere Firmen meist den Vorteil, schnell

zu sein, sie brauchen keine Strategien, die zehn Jahre

vorausschauen. Und Häußler betonte auch, der sich

schnell wandelnde Markt habe viele Möglichkeiten noch

gar nicht bedacht. Das gesamte Umfeld brauche viele

neue Lösungen, und genau das sei eine Chance und

keine Krise. Von der Batterie-Thematik könne etwa die

Verpackungsindustrie profitieren, denn wie sollen die

Batterien versandt werden? In neuen Holzkisten bei-

spielsweise? Der zweite Gesichtspunkt: den Fokus auf

den Kunden legen, ihn treffen, mit ihm sprechen, seine

Produktionslinien anschauen. Dabei können Netzwerke

eine große Rolle spielen. Der dritte Tipp von Häußler:

Partnerschaften und Kooperationen eingehen und zwar

dann, wenn der Markt mehr fordert als man selber leis-

ten kann, oder der Markt schneller wächst, als man ihm

zu folgen in der Lage ist. Marquardt hat beim Batterie-

managementsystem mit Samsung zusammengearbeitet

(Marquardt für die Intelligenz, Samsung für die Zellen).

Kunde war in diesem Fall Audi. Und der vierte Hinweis:

Neue Geschäftsbereiche sind äußerst komplexe Gebil-

de. Rein kognitiv bekommt man das kaum in den Griff.

Deshalb sollten Unternehmen auch ein Stück weit auf

ihre Intuition und auf den „kreativen Flow“ achten. Dem

einen kommen auf dem Fahrrad die besten Lösungen,

dem anderen unter der Dusche, dem Dritten beim Se-

geln. Immer wichtig: Situationen schaffen, die jenseits

vom Tagesstress sind.

Ulrich Plankenhorn

»Fokus auf

Stärken legen,

Schwächen

vergessen«