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10 | 2017

Wirtschaft im Südwesten

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Gesamtvermögen der Stiftungen im Regierungsbezirk

Freiburg ist, lässt Pollich derzeit errechnen. Bundesweit

schätzt der Bundesverband Deutscher Stiftungen deren

Vermögen auf über 100 Milliarden Euro.

Warum Stifter stiften

Die Beweggründe von Stiftern, zu stiften, sind viel-

fältig. Oft geht es, wie das der Freiburger Stifter und

ehemalige IHK-Präsident Eugen Martin einmal for-

mulierte, darum, dass man im Leben Glück gehabt

hat und von diesem Glück etwas an andere weiter-

geben möchte. Auch der Wunsch, gesellschaftlichen

Missständen abzuhelfen oder Entwicklungen in der

Medizin, Technik oder Ausbildung voranzutreiben,

kann maßgeblich sein. Manchmal dürfte auch der

Ewigkeitsgedanke eine Rolle spielen: Weit über das

eigene Leben hinaus lassen sich Ziele weiterverfol-

gen, und der eigene Name kann im Bewusstsein der

Mitmenschen über Generationen positiv verankert

bleiben. Apropos Ewigkeit – einzelne Stiftungen der

Freiburger Stiftungsverwaltung lassen sich fast 800

Jahre zurückverfolgen. Schon im Mittelalter brachten

vermögende Bürger der Stadt Grundstücke, Häuser,

Weinberge, Kunstgegenstände und Ähnliches in Stif-

tungen für soziale Zwecke ein, die bis heute etwa in

der Altenpflege tätig sind.

Stifter sind meistens unternehmerisch oder freiberuf-

lich tätig, und sie stiften häufig in eher fortgeschrit-

tenem Alter. Immer wieder sind sie auch kinderlos

geblieben, haben also keine direkten Erben, oder

möchten nicht ihr gesamtes Vermögen in die Hände

der Nachkommen übergeben. Einige Beispiele aus

dem Regierungsbezirk stellen wir hier vor.

Die Private Stiftung Ewald Marquardt

in Rietheim-Weilheim

Der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik Ewald Mar-

quardt entstammt einer der beiden Gründerfamilien

des Rietheimer Unternehmens Marquardt GmbH, das

elektromechanische und elektronische Schalter und

Schaltsysteme herstellt und im vergangenen Jahr mit

weltweit über 9.000 Mitarbeitern einen Umsatz von

1,1 Milliarden Euro erzielte. Ewald Marquardt hatte von

1965 bis 1989 verschiedene Spitzenpositionen in diesem

Unternehmen inne und war anschließend bis 2006 Auf-

sichtsratsvorsitzender. An der Entwicklung der Firmen-

gruppe und vieler ihrer Produkte hatte er maßgeblichen

Anteil. 1998 hat er seine „Private Stiftung Ewald Mar-

quardt für Wissenschaft und Technik, Kunst und Kultur“

gegründet. „Privat“ hat er sie genannt, weil die Stiftung

unabhängig vom Unternehmen ist und im Wesentlichen

aus seinem Privatvermögen finanziert wird. Im Namen

kommt auch die vielfältige Ausrichtung der Stiftung zum

Ausdruck. Ewald Marquardt geht es zum einen darum,

Technik und Wissenschaft als tragende Pfeiler der Ge-

sellschaft zu sichern und die Freude der jetzt aktiven

und künftigen Generationen an der Technik anzuregen.

Die Stiftung vergab und vergibt deswegen Stipendien

für Forschungsprojekte an den Universitäten Freiburg,

Stuttgart, Berlin und Oxford, sie hat den Ankauf eines

Fluoreszenz-Spektrometers für den Hochschulcampus

Tuttlingen sowie einen Alterssimulationsanzug für die

Universität Chemnitz finanziert. Für Ideen und Innovatio-

nen auf dem Gebiet der elektrischen Schalt-, Steuer- und

Regelungstechnik lobt sie im zweijährigen Turnus einen

mit über 30.000 Euro dotierten Zukunftspreis aus.

Technische Zukunft kann es aber nach Marquardts Auf-

fassung nicht ohne die Erinnerung an die Vergangenheit

geben. 2014 hat er im Rietheimer Ortsteil Bulzingen an

der Stelle, wo das Haus seiner Großeltern stand, ein sehr

elegantes und mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichne-

tes 600 Quadratmeter großes Stiftungsgebäude bauen

lassen. Im großelterlichen Haus hatte sein Vater

Johannes Marquardt in den frühen Zwanzigerjah-

ren eine erste Werkstätte für elektrotechnische

Bedarfsartikel gegründet und mit einem von ihm

entwickelten Kipphebelschalter für den Einbau in

Elektrogeräte gemeinsam mit seinem Freund gleichen

Namens, Johannes Marquardt, den Grundstein für die

Unternehmensgruppe Marquardt gelegt. Für den Vater

und seine Erfindungen sowie die Nachfolgegeneratio-

nen der Geräteschalter bis hin zu den Innovationen der

Gewinner des Zukunftspreises hat Ewald Marquardt in

diesem Gebäude Ausstellungsräume eingerichtet, die

einem kleinen Museum gleichen.

Da Marquardt für eine nachhaltig positive gesellschaft-

liche Entwicklung außer technischen weitere Aspek-

te für wichtig hält, unterstützt er auch kulturelle und

soziale Belange. So gab die Stiftung beispielsweise

Zuwendungen an die Klosterbibliothek der Erzabtei

Beuron, an die Kirche in Rietheim, an die Stadtkirche

Tuttlingen und die Kirche St. Johann in Donaueschingen

sowie an die Kunststiftung Hohenkarpfen. Darüber

hinaus veranstaltet sie in ihrem Gebäude in kleinerem

Rahmen Kunstausstellungen, Konzerte und Vorträge.

Regelmäßig bezuschusst die Stiftung soziale Einrich-

Das Haus der Privaten

Stiftung Ewald Marquardt

in Rietheim-Weilheim/

Ortsteil Bulzingen. Es wur-

de mit dem Hugo-Häring-

Preis ausgezeichnet.

»Freude an der

Technik anregen«